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Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)

Titel: Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Ermittlung auf den Weg zu bringen, er wurde leicht jähzornig und unkollegial. Als Falcón im Januar noch mit reduzierter Stundenzahl an seinen Arbeitsplatz zurückgekehrt war, war Ramírez regelrecht dankbar gewesen. Das hatte die Spannung innerhalb der Mordkommission spürbar verringert, und sie redeten sich untereinander nur noch selten in übertriebener Förmlichkeit mit dem jeweiligen Dienstrang an.
    »Mein Gott«, sagte Ramírez, »was ist denn mit dir passiert?«
    »Buenos días, José Luis. Gestern war ein schlechter Tag«, sagte Falcón. »Ich habe mich wieder mit dem Whisky angefreundet. Wie ist es im Krankenhaus gelaufen?«
    Ramírez blickte von seinem Schreibtisch auf, und Javier hatte das Schwindel erregende Gefühl, in zwei dunkle, leere Fahrstuhlschächte zu starren, die direkt in den Schmerz und die unerträgliche Ungewissheit eines Mannes führten.
    »Ich habe nicht geschlafen«, sagte Ramírez. »Ich war zum ersten Mal seit dreißig Jahren bei der Frühmesse und habe meine Sünden gebeichtet. Ich habe so intensiv gebetet wie noch nie in meinem Leben – aber so funktioniert das nicht, oder? Das ist meine Buße. Ich muss das Leiden der Unschuldigen mitansehen.«
    Er atmete ein und legte sich die Hände auf die Wangen.
    »Sie behalten sie vier Tage dort, um eine Reihe von Tests zu machen«, sagte er. »Einige davon betreffen sehr ernsthafte Krankheiten wie Lymphknotenkrebs und Leukämie. Sie haben keine Ahnung, was es ist. Sie ist dreizehn Jahre alt, Javier, dreizehn Jahre.«
    Ramírez zündete sich eine Zigarette an und rauchte, einen Arm über der Brust, als ob er sich so zusammenhalten wollte. Er sprach über die Tests, als wüsste er schon, dass sie eine schreckliche Krankheit hatte, und die brutalen Vokabeln zukünftiger Heilverfahren schlichen sich bereits in seinen Wortschatz – Chemotherapie, Übelkeit, Haarausfall, Zusammenbruch des Immunsystems, Infektionsrisiko. Falcón sah Bilder von Kindern mit riesigen Augen in einem zerbrechlichen Schädel vor sich.
    Als ob ihm plötzlich selbst davor ekelte und er damit irgendwie zur Krankheit seiner Tochter beigetragen hätte, spuckte Ramírez unvermittelt den Rauch aus und zerdrückte seine Zigarette. Falcón redete beruhigend auf ihn ein, erinnerte ihn daran, dass es sich lediglich um Tests handelte, ermahnte ihn, ruhig zu bleiben und positiv zu denken, und bot ihm an, jederzeit so lange freizunehmen wie nötig. Aber Ramírez bat ihn im Gegenteil um einen Arbeitsauftrag, um seinen endlos kreisenden Gedanken zu entfliehen. Falcón nahm ihn mit in sein Büro, schluckte zwei weitere Aspirin und berichtete ihm die Einzelheiten vom Tod des Ehepaars Vega.
    Kurz nach acht tauchten Pérez und Ferrera auf. Die beiden anderen Mitarbeiter der Mordkommission, Baeno und Serrano, waren damit beschäftigt, die Häuser des Viertels abzuklappern. Falcón entschied, die Ermittlung an zwei Fronten weiterzuführen: Er selbst würde eine Durchsuchung des Vega-Grundstücks leiten, während sich Ramírez um Rafael Vegas Firma kümmern, die Projektmanager und den Buchhalter befragen und sämtliche Baustellen besuchen sollte. Außerdem mussten sie die Suche nach dem vermissten Gärtner Sergej forcieren und Informationen über die Russen sammeln, die Pablo Ortega an La Noche de Reyes beobachtet hatte.
    »Wo sollen wir nach Sergej suchen?«, fragte Pérez.
    »Nun, zunächst könnten Sie herausfinden, ob auf Vegas Baustellen Russen oder Ukrainer arbeiten, und sie befragen. Ich glaube kaum, dass er ein Einzelfall ist.«
    »Nach allem, was Sie von Vázquez erzählt haben, brauchen wir einen richterlichen Durchsuchungsbefehl, wenn wir Vegas Büro filzen wollen.«
    »Und den kriegen wir nur, wenn wir verdächtige Umstände nachweisen können, wofür wir auf den Obduktionsbericht warten müssen«, sagte Falcón. »Ich begleite ein Mitglied von Lucías Familie zur Identifizierung der Leichen ins Instituto. Ich werde sie wahrscheinlich gegen Mittag abholen und dann auch gleich in Erfahrung bringen, ob ihnen das halb verkohlte Foto, das wir auf dem Grill gefunden haben, irgendetwas sagt.«
    »Bis dahin sind wir auf die Freundlichkeit von Señor Vázquez angewiesen?«, fragte Ramírez.
    »Er hat mir selbst geraten, mit dem Buchhalter zu sprechen«, sagte Falcón und wandte sich an Ferrera. »Haben Sie irgendwas Neues zu der Autonummer?«
    »Was für eine Autonummer?«, fragte Ramírez.
    »Jemand ist mir gestern Abend in einem blauen Seat Cordoba bis zu meinem Haus

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