Die Toten von Santa Clara: Roman (German Edition)
hatten ein Loch in den Boden geschlagen, um den Schaden genauer zu inspizieren. Überall auf den nackten Fliesen glitzerten Splitter von Ortegas zersprungenem Weinglas, dazwischen lag der Stumpen einer abgebrannten Zigarre. In dem Loch am Boden konnte man direkt unter der Oberfläche der Abwässer die weißgelbe Sohle von Pablo Ortegas rechtem Fuß erkennen.
Per Handy verständigte Falcón die Jefatura. Er ordnete ausdrücklich an, dass Juez Calderón verständigt wurde, da der Tod des Schauspielers für den Vega-Fall relevant sein könnte. Außerdem forderte er Cristina Ferrera an, gab jedoch Anweisung, Ramírez nicht zu behelligen.
Er ging rückwärts aus dem Raum und den Flur hinunter bis zum Schlafzimmer. Auf dem glatten, dunkelroten Überwurf des Bettes lagen zwei Briefe, einer adressiert an Javier Falcón, der andere an Sebastián Ortega. Er ließ sie unberührt, kehrte zu der nach wie vor sehr verängstigt am Pool sitzenden Alicia Aguado zurück und berichtetet ihr, dass Pablo Ortega anscheinend Selbstmord begangen hatte.
»Ich kann es nicht glauben«, sagte Falcón. »Gestern Abend war ich doch noch bei ihm. Er betrank sich gerade heftig, war dabei aber freundlich, charmant und großzügig. Er schlug sogar vor, mir nach dem Treffen heute seine Sammlung zu zeigen.«
»Er hatte den Entschluss schon gefasst«, sagte Alicia, die die Arme um ihren Körper geschlungen hatte, als würde sie bei zweiundvierzig Grad im Schatten frieren.
»Verdammt«, sagte Falcón leise. »Ich fühle mich irgendwie verantwortlich. Ich habe Dinge aufgewirbelt, und es ist…«
»Niemand ist verantwortlich dafür, dass ein anderer Mensch sich umbringt«, sagte Alicia entschieden. »Er hat eine komplette Lebensgeschichte, die sich bestimmt nicht grundlegend verändert hat, weil er ein paar Mal mit Javier Falcón gesprochen hat.«
»Natürlich, das weiß ich. Vermutlich meine ich nur, dass ich es womöglich forciert habe, weil ich ihn so bedrängt habe.«
»Sie meinen, Sie haben mit ihm nicht nur über Sebastián geredet?«
»Ich dachte, er hätte Informationen, die mir bei meiner Ermittlung helfen könnten.«
»Stand er unter Verdacht?«
»Nein, nicht direkt. Ich habe bloß gemerkt, dass ich ihn verunsichert habe. Die Fragen, die ich ihm gestellt habe, sei es über seinen Sohn oder über den Fall Rafael Vega, haben ihn aus irgendeinem Grund nervös gemacht.«
»Nur aus psychologischem Interesse«, sagte sie, »wie hat er sich umgebracht?«
»Er hat sich betrunken, ein paar Schlaftabletten geschluckt und sich in der aufgeplatzten Jauchegrube ertränkt.«
»Er hat es ziemlich sorgfältig geplant, nicht wahr?«, meinte sie. »Erst die Hunde zu ertränken…«
»Ich habe ihn gestern Abend noch nach den Hunden gefragt«, erinnerte sich Falcón. »Er hat gesagt, sie würden schlafen. Wahrscheinlich hatte er sie da schon getötet.«
»Irgendein Abschiedsbrief?«
»Zwei Briefe, einer an mich, der andere an seinen Sohn. Ich habe sie liegen gelassen, bis der Tatort untersucht worden ist.«
»Er wusste, dass Sie die erste Person sein würden, die das Haus heute Morgen betritt«, sagte sie. »Keine hässlichen Überraschungen für irgendwen außer dem Profi. Gartentor und Hintertür waren bequemerweise offen. Er hat alles genau geplant bis hin zu dem letzten Detail, sich in die Jauchegrube zu stürzen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie haben doch eben gesagt, dieser Teil des Hauses wäre versiegelt.«
»Stimmt.«
»Er hat sich also die Mühe gemacht, die Versiegelung aufzubrechen, weil es ihm psychologisch wichtig war, sich in Scheiße zu ertränken… seiner eigenen Scheiße«, sagte sie. »Ich bin sicher, die Tabletten und der Alkohol hätten auch so gereicht.«
»Alkohol kann zu Erbrechen führen.«
»Na gut. Dann ist er auch diesbezüglich auf Nummer sicher gegangen… aber er hätte auch den Pool benutzen können. Das ist zwar weniger privat, aber für die Hunde war es doch auch gut genug.«
»Erleichtern Sie mein schlechtes Gewissen, Alicia. Geben Sie mir eine Theorie«, sagte er.
»Wie Sie wissen, haben sich die Ereignisse bereits überstürzt, bevor Sie mit Ihren Fragen nach Rafael Vega bei ihm aufgekreuzt sind«, sagte sie. »Sein Sohn ist unter großem öffentlichen Aufsehen für ein überaus hässliches Verbrechen zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden. Pablo wurde von seiner Umgebung derart ausgegrenzt, dass er sein Viertel verlassen musste – und dahinter verbirgt sich eine Geschichte, die Sie noch gar
Weitere Kostenlose Bücher