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Die Toten von Santa Lucia

Die Toten von Santa Lucia

Titel: Die Toten von Santa Lucia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Krohn
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die Muttersprache eine Distanz zu den Ereignissen schaffen, weil Sonja nicht mehr mühsam nach italienischen Formulierungen suchen musste. Es war eine enorme Erleichterung. Nichts war gut, aber es hatte ihr gut getan, darüber zu sprechen.
    Sonja fragte, ob Luzie sich in den letzten Tagen bei Maris gemeldet hatte. Hatte sie nicht. Maris versprach jedoch, sich für eine Stunde loszueisen und nach Hause zu fahren, ihren Anrufbeantworter abzuhören, den Zweitschlüssel für Sonjas Wohnung zu holen und dort nachzusehen, ob Luzie nicht schon längst wieder zurückgekehrt war … Sonja war gerührt. Maris war eine echte Freundin.
    Als Sonja sich wieder zu Gentilini gesellte, starrte er in den Fernseher, der wie in den meisten Bars in einer Ecke unter der Decke hing. Sonja gab dem Barmann ein Zeichen, er schenkte nach. Sie überlegte, was sie selbst an Luzies Stelle tun würde. Wen sie im Notfall kontaktieren würde. Warum hatte Lion eigentlich in der Pension angerufen? Was wollte er ihr mitteilen? Hatte Luzie sich womöglich bei ihm gemeldet?
    Auf Lions Schultern war Luzie als kleines Mädchen geritten wie auf einem Elefanten. Er hatte Dutzende abendfüllende Partien Monopoly mit ihr bestritten und sich am Ende meistens als der schlechtere, weil weichherzigere Kapitalist erwiesen. Sollte sie sich bedroht fühlen, würde Luzie sich bestimmt eher an Kriminalkommissar Lion Lichtenberg wenden, als zu irgendeiner fremden italienischen Polizeiwache zu laufen, wo sie niemanden kannte und sich kaum verständigen konnte.
    Sonja ging erneut hinaus auf die Straße und wählte Lions Nummer. Er war nicht zu Hause. Sie versuchte es auf dem Diensthandy und erwischte ihn im Fußballstadion. Im Hintergrund hörte sie die Fangesänge des FC St. Pauli. Er musste schreien, um sich verständlich zu machen.
    »Eins zu eins«, brüllte er, »fast wäre gerade das zweite Tor gefallen.«
    »Nur ganz kurz«, sagte Sonja. »Warum hast du angerufen?«
    »Nur so. Wollte hören, wie du mit Gennaro klarkommst.«
    »Fatti i cazzi tuoi.«
    »Was hast du gesagt?«
    »Vergiss es.« Sie beschränkte sich darauf zu fragen, ob er etwas von Luzie gehört hatte.
    »Dann hätte ich dich längst angerufen.«
    »Genau die Hoffnung hatte ich«, sagte Sonja. »Melde dich bei Gentilini, wenn sich was tut.«
    Sie ließ sich den nächsten Grappa auf der Zunge zergehen. Es brannte, aber das war gut so. Es sollte brennen. Sie wollte es spüren. Sie brauchte jetzt einen Schnaps, den man beim Trinken spürte, kein lasches Gesöff, das man sich einfach so zum Spaß in die Kehle schüttete.
    Wer kam außerdem infrage? Bei wem würde Luzie sich im Falle eines Falles melden? Sonja ging im Geiste die Leute durch, die sie gemeinsam kannten, auch Freunde und Freundinnen von Luzie. Einen festen Freund hatte Luzie seit über einem Jahr nicht mehr gehabt, und die Trennung von Robin war so dumm gelaufen, dass Luzie seine Telefonnummer nicht einmal mehr mit spitzen Fingern wählen würde. Es kamen letztlich nur drei Freundinnen in die engere Wahl, aber Sonja wusste nur von zweien die Nachnamen.
    Sie winkte den Barmann heran und zeigte ihm Luzies Foto. Familienbande, la mamma, das öffnete die Herzen weiter als jeder Ausweis der Kriminalpolizei – weshalb Gentilini ihn gar nicht erst bemüht hatte. Sonjas innere Not war glaubwürdig und überzeugend.
    Ja, der Barmann erinnerte sich an das Mädchen. Sie hatte in den letzten Wochen ein paarmal hier etwas getrunken. Ja, auch in Begleitung des jungen Mannes, der heute erschossen worden war. Dann hob er die Hände, als würde Sonja ihm die Pistole auf die Brust setzen. Das sei alles.
    »Mehr weiß ich nicht. Ich habe nur die Schüsse gehört, aber nichts gesehen. Und wenn ich etwas anderes behaupten würde, wäre ich ein Lügner.«
    Wortlos griff er nach der Grappaflasche und füllte die Gläser erneut bis an den Rand. »Offerta della casa.«
    Sie tranken im Stehen und auf ex.
    Kurz darauf kam der Rückruf von Maris: von Luzie keine Spur. Maris hatte wie vereinbart einen unübersehbar großen Zettel auf dem Küchentisch hinterlassen und einen zweiten auf Luzies Bett. Darauf stand Gentilinis Handynummer und dass Luzie sofort – SOFORT! – dort anrufen solle, wenn sie diese Nachricht las.
    Auf der Liste der möglichen Kontaktpersonen stand nicht zuletzt auch Sonjas Mutter. Draußen fuhr gerade ein Krankenwagen vorbei. Als die Sirene in der Ferne verklang, wählte Sonja die Nummer. Damit Oma Hilde sich nicht unnötig Sorgen machte, tarnte

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