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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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verblasse und verwandle sich zu stillem Gift in Euren Adern. Niemals soll ein Weib Euch wieder begehren, Örn Nábitr.«
    Das Seeufer war still geworden, als fürchteten die Wellen, von dieser Verwünschung getroffen zu werden. So konnten die starken Worte ungehindert am Ufer entlangtanzen und weiter in den Ohren klingeln, sich in den Kopf einnisten, präsent bleiben. Örn schaute Ima fassungslos an, dann verzog sich sein Gesicht zu einer Fratze. Lauthals lachend drehte er sich auf den Bauch und robbte auf sie zu, mit der Hand nach ihr angelnd.
    »Starke Worte, du wildes Weib. Willst du mir drohen?«
    »Nein, Örn. Mit Drohungen gebe ich mich nicht ab.«
    Sein lautes, beinah hysterisches Gelächter verfolgte sie
den ganzen Bohlenweg entlang bis zum Dorf, wo sie Hákon geradewegs in die Arme lief.
     
    »Was hast du mit meinem Herrn gemacht?« Hákon packte und schüttelte sie. »Die Makedonierin sagt, er sei dir gefolgt - was hast du mit ihm gemacht?« Sein Zorn flackerte auf wie eine Stichflamme, und Ima sammelte sich, obwohl ihr nach den Ereignissen wahrlich nicht nach einer Begegnung mit einem zweiten Mann zumute war. Doch dieser hier war fleischgewordene Gefahr, weil er klug war und sich im Griff hatte und weil er um die Ecke denken konnte. Er war Örns zweiter Kopf, man spürte, dass er Örns Gedanken lesen konnte. Ima hatte gelernt, sich vor solchen Männern in Acht zu nehmen. Und eigentlich musste sich auch jeder Anführer vor solchen Männern in Acht nehmen, weil sie am Besten wussten, wo das Verrätermesser in den Rücken passte. Sie zwang sich zur Ruhe. Männer wie Hákon waren ihrem Anführer so nah wie ein Zwilling, und dadurch waren sie doppelt gefährlich.
    Und so hob sie beschwichtigend die Hand, ohne ihn zu berühren, weil sie das nicht mehr ertrug. Er wich vor der seltsamen Hand zurück.
    » Túnriða «, flüsterte er, »was hast du mit ihm gemacht? Brennen sollst du dafür …«
    »Am Wasser findet Ihr Euren Herrn, lebendig und zufrieden.« Sie verschluckte sich beinah an den Worten - wie leicht wäre es gewesen, so verflucht leicht …
    »Wenn du lügst …«
    »Euer Herr und ich haben eine Abmachung«, unterbrach sie ihn, »würde ich ihn töten, müsste mein Knecht mit mir zusammen sterben. Ich bin zwar ein Weib, aber denken kann ich doch. Und nun lasst mich tun, worum wir gehandelt haben!«
    Herausfordernd tat sie einen Schritt auf ihn zu. »Befragt
Euren Herrn, wenn Ihr mir nicht traut oder nicht wisst, was zwischen uns abgemacht wurde.« Hákons Augen wurden ob dieser Dreistigkeit schmal vor Wut; gleichwohl merkte man ihm jetzt Verunsicherung an. Ganz offenbar war er nicht eingeweiht, wie Ima mit gehässiger Genugtuung feststellte.
    »Ich behalte dich im Auge, túnriða .« Er hob den Finger und trat näher, und sie roch, was er gegessen hatte.
    »Das tut gerne«, erwiderte sie mit hochgezogenen Brauen, »und wenn Ihr mich zu Euren Kranken begleiten wollt, umso besser. Euer Herr ist vermutlich noch nicht dazu in der Lage.« Sie biss sich in die Wange. Das Stechapfelöl, das Örn ihr wie ein zahmes Tier aus der Hand geleckt hatte, würde sicher bis zur Dämmerung reichen. Der Vorsprung genügte, um sich im Krankenlager so unentbehrlich zu machen, dass ihr Plan vielleicht aufging: wenigstens einem der Leidenden Linderung verschaffen, um einen Grund für ihre und Bohemunds Freiheit zu haben. Was dann weiter geschah, daran wollte sie nicht denken. Sie hatte sich so weit von ihrem alten Leben entfernt, dass alles möglich war. Der Gedanke an diese vor ihr liegende Bodenlosigkeit machte ihr solche Angst, dass ihr die Knie zu zittern begannen. Nein, es war besser, nur an die nächsten beiden Schritte zu denken. Ein liebestoller oder am Ende noch zorniger Warägerhauptmann würde dabei nur stören.
    »Ich schaue dir auf die Finger!« Hákon ließ nicht locker. Er störte ebenfalls, auf penetrante Weise. Außerdem verachtete sie Männer, hinter deren Ergebenheit Falschheit lauerte. Die Verachtung gab ihr Mut, dreister zu werden.
    »Ich brauche weißes Wachs, ein Maß gutes Öl, terebinthe, wenn Ihr habt, Honig und …« Sie überlegte kurz, da unterbrach er sie.
    »Bin ich ein Krämer? Wo soll ich das Zeug hernehmen?«
    »Bin ich eine túnriða ? Ich verfüge über keine Zaubertaschen …«
    »Thor reiße dir deine freche Zunge heraus!«
    Der furchterregende Gott ihrer Kindheit schwebte einen Moment über ihrem Kopf. Eiseskälte, Lärm, Blut, Feuer. Sie riss sich zusammen. Es gab keine Götter. Auch

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