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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Brust aufhackt … verstehst du?« Den Rest beließ er in einem vielsagenden Nicken. Imas Hand sank in den Schoß. Vorsichtig sah sie sich wieder nach dem Normannen um. Ihre Blicke trafen sich - bange, stumm, und die Mittagsglut stand voller ungesagter Worte. Sie fand jedoch keinen Mut, zu ihm zu gehen. Und so konnte sie ihm nur alle Wärme ihres bebenden Herzens schicken und hoffen, dass er Kraft daraus schöpfte.
     
    Der Platz füllte sich. Männer ließen sich auf dem Boden nieder, Becher kreisten. Zotige Witze über den Arsch von Weibern und welcher Ritt wohl anstrengender sei, machten die Runde, es stank nach Schweiß und Schmutz, je näher sie rückten. Der schmierige Koch hatte den Bierkübel herbeigeschleppt und verteilte Brotstücke. Die Mehrheit der
Männer aß jedoch nicht, sondern wartete gespannt auf ihren Anführer.
    Als Gérard mit Fesseln beinah unbeweglich verschnürt war, verstand sie, was der Kranke gemeint hatte. Der Adler würde sich seine Mahlzeit holen und, vom Blut berauscht, kaum noch unterscheiden, wen er da zerriss. Möglicherweise hatte er auch Übung darin, weil dies eine oft verhängte Strafe war. Sie hatte Örn tatsächlich unterschätzt - diese Erkenntnis lief ihr wie ein Schwall kaltes Wasser den Rücken hinunter. Wieder sah sie zu Gérard, trank seinen flehenden Blick und kämpfte gegen die lähmende Ohnmacht, die sich jetzt anschickte, Besitz von ihr zu ergreifen. Es war zu spät. Zu spät für ein Wort, zu spät, um aufzustehen und noch einmal zu ihm zu gehen.
    Aufkommendes Raunen kündigte den Lagerkommandanten an. Seinen Adler führte er wie einen Hund an einer Kette. Hochmütig schaute der von einer Lederhaube verdeckte Vogelkopf umher, als ob er sich sein Opfer bereits ausspähte. Wie ein König über einen kostbaren Teppich schreitet, so setzte er Kralle vor Kralle, und er bohrte sie so nachdrücklich in den Boden, als gehörten der Platz und das gesamte Lager ihm allein. Die Kette, die seinen verhornten Fuß umschloss, rasselte bei jedem Schritt, als wäre sie der Schlüsselbund zu diesem Kerker. Instinktiv wich Ima zurück. Vor dem Feuer klappte der Adler seine riesigen Flügel aus und schüttelte das Gefieder, wie jemand einen Mantel von den Schultern gleiten lässt. Er war der Herr an diesem Ort, und niemand außer Örn verstand seine Sprache.
    Die Männer wichen zurück, ihr Respekt, ihre Furcht vor dem Raubtier war deutlich zu spüren. Und der Adler trat zur Seite, um noch mehr Platz für sich zu beanspruchen. Dann legte er würdevoll wie ein Herrscher einen Flügel nach dem anderen wieder an den Leib und blieb hocken, wo er war. Genauso würdevoll ließ Örn sich am Feuer nieder,
eine Spur zu dicht bei Ima, um dem Anstand zu genügen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht schaute er zu ihr auf.
    » Hnefatafl spielen wir. Lasst uns beginnen, Normannin. Und lasst es uns zu Ende bringen.«
    »Wenn ich gewinne, gehört er mir«, fiel sie ihm heftig ins Wort, um von ihrer wachsenden Nervosität abzulenken. Angriff war die beste Verteidigung. »Er, und der andere auch. Wir können gehen, wohin wir wollen. Zwei schnelle Pferde will ich. Und Proviant. Und Waffen.«
    Örn starrte sie an, dann fing er schallend an zu lachen. »Beim roten Zopfe Thors - Ihr seid die frechste Frau, die mir jemals untergekommen ist!« Er verstummte, fixierte sie wie ein Raubvogel seine Beute.
    »Wenn Ihr verliert, sterben sie beide, und Ihr seid mein.«
    Ihr Herz schlug zum Bersten, noch während die Worte in der Luft hingen. Er brach die Abmachung, immerhin gehörte Bohemund ihr bereits, ihn hatte sie schon bezahlt, doch sie wagte es nicht, Örn darauf hinzuweisen. Dieses Spiel sah ihm ähnlich. Wäre sie ein Mann gewesen, hätte er sie zum Holmgang herausgefordert, und wie das ausgehen konnte, hatte sie ja mitbekommen.
    So erwies er ihr Respekt, es war jedoch kein Grund, stolz zu sein. Es ging um ein Spiel auf Leben und Tod - sie kannte Hnefatafl zwar von daheim, doch sah dieser Waräger nicht aus, als ob er sich mit den Jünglingsmanövern abgeben würde, die sie gewohnt war zu spielen. Er würde einen echten Krieg auf das Brett bringen - und töten, wie im richtigen Leben. Hierbleiben zu müssen war auch ein Tod, ein jämmerlicher Tod auf Raten. Sie barg die zitternden Hände in den Rockfalten und reckte den Kopf, um gegen die Hoffnungslosigkeit anzuatmen.
    Einer der Männer brachte ein hölzernes Spielbrett, welches er auf den nackten Boden legte. Aus einem Leinensäckchen
kramte er einen Haufen

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