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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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polierter Edelsteine hervor und sortierte sie in der vorgeschriebenen Ordnung auf das Brett. In der Mitte stach wie ein düsterer Dorn aus schwarzem Stein der König hervor, umringt von seinen Maiden aus glasklarem Bergkristall. Die Angreifer schimmerten amethystfarben und umringten die kleine Gruppe. Örn machte ein zufriedenes Gesicht. Wie ein fürsorglicher Gastgeber rückte er einzelne Steine noch einmal gerade. Dann nahm er den Würfel in die Hand.
    »Wollt Ihr beginnen?«
    Ima zog wortlos das Säckchen mit des Guiscards Würfeln aus der verborgenen Rocktasche.
    »Beim Thor, sie hat ihre eigenen Würfel!« Örn klatschte vergnügt in die Hände. »Habt ihr je ein vornehmes Weib gesehen, das eigene Würfel mit sich führt? Ima Heillahandi, am Ende behalte ich Euch hier, auch wenn Ihr siegt - Ihr gefallt mir einfach zu gut!« Und er strahlte sie voller Bewunderung an. Ein solcher Besitz musste einem Waräger wohl gefallen. Ima runzelte die Stirn. Hoffentlich bringen mir wenigstens diese Würfel Glück, dachte sie beunruhigt. Ob er ahnt, dass er gegen Robert Guiscards Würfel spielt?
    Er ahnte nichts. Fröhlich wie ein Kind breitete er die Arme aus. »Ich schlage vor, wir spielen mit vertauschten Rollen - was haltet Ihr davon? Ihr spielt den König und ich den Angreifer. Ihr versucht zu fliehen - wenn ich Euch fange, stirbt Euer … Freund.« Er beugte sich vor und stützte das Kinn in seine Pranke. »Wie im richtigen Leben, Ima Heillahandi. Damit könnt Ihr umgehen, nicht wahr?«
    Man bot ihr keinen Hocker an, und so musste Ima sich mit ihrem Kleid in den Staub setzen. Sie tat es stumm und um Haltung bemüht. Niemand sollte ihr Zittern sehen, niemand durfte spüren, wie ihr die Furcht hinter der hochmütigen Attitüde die Kehle abschnürte, weil das alles nur ein Schauspiel war.

    »Ihr zwingt mich dazu, Örn Nábitr«, sagte sie fest. »Aber ja - ich weiß, wie das richtige Leben geht.«
    Dieses Wissen half ihr, ein Spiel zu spielen, welches sie seit Jugendtagen nicht mehr angefasst hatte, weil es einer Dame keinesfalls zustand, sich mit solchen Brettspielen die Zeit zu vertreiben.
    Das Leben hatte sie jedoch gelehrt, sorgfältig in alle Richtungen zu schauen und alles im Auge zu behalten - nur so schaffte sie es, ihren König, von den Maiden bewacht, aus der Burg zu holen und in einem geschickten Zickzackkurs über das Spielfeld zu ziehen, ohne von den Angreifern eingekreist zu werden. Scheinbar unlogische Züge retteten ihren Spielstein, mit Umsicht befreite sie ihn aus misslichen Lagen, ohne zu viel zu riskieren, und vielleicht war der Würfel des gerissenen Apuliers ihr wirklich eine heimliche Hilfe.
    Ein Krug ging herum, es duftete schwer und süß.
    » Hverjar eru þær brúðir «, sang einer der Umstehenden mit samtig-tiefer Stimme, und Örn lächelte siegessicher dazu.
    »Er sinn drottin
    vápnlausan vega,
    inar jarpari hlífa
    um alla daga,
    en inar fegri fara?
    Heiðrekr konungr,
    hyggðu at gátu!«
    »Góð er gáta þin«, sang ein anderer, der den Part des Königs übernahm .
    »Gestumblindi, getit er þessar,
    þat er hnefatafl,
    inar dekkri verjar hnefann,
    en hvítar sækja!«
    »En hvítar sækja!«, antworteten die anderen im Chor.

    Örn lachte. »Na, kennt Ihr unsere Lieder? Trinkt, Frau aus dem Norden. Trinkt auf Euer Glück!« Und er reichte ihr mit großartiger Geste den Krug.
    Ima hätte am liebsten zu Ende gespielt. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, und nun wollte er zwischendurch feiern - seine Großspurigkeit war kaum zu ertragen! Doch wagte sie nicht, den Krug abzulehnen, weil alle sie gespannt belauerten. Ein Weib beim Würfelspiel! Und so setzte sie ihn an die Lippen und ließ sich das kühle Nass in den Mund laufen - köstlichster Met, wie sie ihn von daheim kannte. Von schwerer Süße, voller Aroma, eine Liebkosung des Gaumens …
    »Danke.« Sie gab ihm den Krug zurück. Alles wirkte nun ein wenig sonniger. Er zwinkerte ihr zu und warf seinen Würfel, während der Krug hinter ihm die Runde machte.
    Und dann konzentrierte sich alles in einer Ecke. Dem König war es gelungen, aus der Mitte zu entkommen. Beinah war er umzingelt, doch nur beinah. Den wichtigsten Stein nahm sie ihm mit der passenden Punktzahl ab. Sie konnte es sehen. Er hatte sich selbst ein Bein gestellt. Ganz still saß er da, hoffte wohl, dass sie seinen Fehler nicht bemerkte, dass sie weiter versuchte, ihre Maiden zu behalten, um den König besser schützen zu können, den Örn erfolgreich aus der Ecke

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