Die Totenfrau des Herzogs
zumindest die Stimme daran teilhaben zu lassen.
»Eripe me de manu inimicorum meorum et a persequentibus me, illustra faciem tuam super servum tuum, salvum me fac in misericordia tua. Domine, non confundar, quoniam invocavi te, erubescant impii et obmutescant in inferno!«
Weihwasser spritzte gegen die Wellen, und es roch nach Weihrauch. Der hatte mit aufs Schiff gedurft und wurde großzügig verbrannt. Ima lachte spöttisch vor sich hin. »Magie ist wohl immer vor allem die Zauberei der anderen«, murmelte sie und zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht. Doch sie selbst hätte es wohl auch verräuchert, um für eine gute Überfahrt zu beten. Gott war es egal, ob der Weihrauch aus der Kutte wehte oder von Frauenhand auf die Kohle gelegt wurde.
Der Wind hatte aufgefrischt, als sie aus einem kurzen Schlummer erwachte. Sie musste sich an der Reling festhalten, um nicht umgeworfen zu werden, weil das Schiff sich dem Wind hingab und der Schiffsführer es offenbar nicht für nötig erachtete, die Segel zu reffen.
»Ich würde das tun«, murrte de Neuville, der neben ihr Platz genommen und ihren Schlaf bewacht zu haben schien.
»Ihr seid kein Seemann«, meinte Ima verwirrt, »wie könnt Ihr …«
»Ich bin schon einmal mit dem Guiscard untergegangen«, erwiderte der Alte. »Das war auch auf diesem Meer mit großer Flotte, und wir hatten es eilig. Vielleicht habt Ihr davon gehört.«
Sie nickte langsam, rieb sich die Augen. Ja, von dem Untergang beim Kap Linguetta hatte sie gehört, beinah jeder Gefolgsmann des Guiscard sprach davon. Der Verlust der Schiffe hatte Apulien schwer getroffen - der Verlust der Krieger ebenfalls. Von der moralischen Niederlage mal ganz zu schweigen. Wer wird schon gerne vom Wasser besiegt, wenn er mit schweren Waffen unterwegs ist, ein Reich zu erobern …
Er reichte ihr einen Becher mit Wasser. »Trinkt, Mädchen. Das Salz in der Luft macht durstig.« Als er den leeren Becher wieder entgegennahm, deutete er zum Horizont.
»Seht nur, die schwarzen Wolken von Norden. Und der Wind dreht auch.«
»Wird es Regen geben?«, fragte sie und schlang den Mantel um ihre Beine. Der Wind hatte jede Wärme mitgenommen und schien jetzt geradewegs aus dem Norden Englands zu kommen. An das kalte Stechen auf der Haut erinnerte sie sich noch gut …
»Regen?« Er schüttete heftig den Kopf. »Nein, das ist kein Regen, Ima. Das sind Sturmwolken!«
»Ihr alter Schwarzseher«, lachte Ima auf. »Bald wird die Küste in Sicht kommen …«
»Oder der Wind abrupt drehen. Mädchen, Ihr kennt dieses Meer nicht.«
»Und Ihr habt kein Gottvertrauen.«
»Auf dem Meer nicht - nein. Gott ist nicht auf dem Meer.« Die Stimme klang so ernst, dass Ima aufhorchte. Der alte Krieger versank in Schweigen und ließ Ima mit seiner letzten Bemerkung allein. Sie starrte vor sich hin. Fast alle Männer hatten einen Platz gefunden, wo sich die Reise und vor allem eine lange Nacht einigermaßen bequem verbringen ließen. Zu ihr hielt man respektvollen Abstand, soweit es das enge Schiff zuließ. Auf den anderen Schiffen, das konnte sie in der beginnenden Dämmerung aus der
Ferne erkennen, gab es zum Teil noch viel weniger Platz. Sie segelten in Sichtweite - ein tröstlicher Anblick, die vielen Segel und die schaukelnden Laternen zur Nacht hin nicht zu verlieren. Ima hasste die Weite des Meeres, welche die Sinne heimatlos machte. Sie vermied es, über die Reling zu schauen.
Wasserkrüge kreisten, Brotrationen wurden ausgeteilt. Offenbar hatten die Bäcker in den frühen Morgenstunden noch einmal ihre Brotfeuer schüren müssen, um möglichst viele Krieger auf der langen Reise versorgen zu können. Ein junger Mann wanderte mit einem Kupferkessel herum und klatschte jedem einen Batzen Erbsenmus auf das Brot. Da Ima nicht bei der Herzogin saß, bekam sie das Gleiche wie die gemeinen Leute. Weiter vorn am Katafalk wurde, soweit sie erkennen konnte, kaltes Fleisch gereicht, der Borsa stand mit einem Krug in der Hand neben seiner Mutter. Sicaildis nahm es mit der Trauer nicht so ernst, wenn es an ihren eigenen Magen ging. Ima lachte böse. Das war ja auch kein Problem, ihre Priester saßen gleich daneben und konnten ihr eine Buße auferlegen und sie von der Völlerei freisprechen. Wenn sie mit dem Essen fertig waren.
»Lasst es Euch schmecken«, sagte de Neuville da neben ihr. »Wenn die Wolken oben näher kommen, müsst Ihr es vielleicht wieder hergeben.«
Das taten jetzt schon ein paar Krieger. Hilflos hingen sie über der
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