Die Totenfrau des Herzogs
die Weiber störten da, wo sie herumstanden. »Der Mann hängt noch im Wasser. Sollen wir ihn raufziehen?«
»Nein!«
»Doch!«
»Für ihn gibt es hier keinen Platz!«
»Er gehört zu mir.« Das kam leise, aber überzeugt. Ima erschrak selbst über die Worte, die ihr da entwichen waren. Die beiden sahen sich an, zornig die eine, stur die andere. Ahmed fragte nicht groß weiter. Er hatte diese Weiber nur an Bord genommen, weil sie zum Herzog wollten und weil er Sicaildis als des Herzogs Gattin erkannt hatte. Weiber gehörten an Land und ins Haus. Diese hier - nun. Sie war eben die Herzogin, und der Beutel Münzen wog schwer an seinem Gürtel. Dennoch machten die Seeleute ihre Arbeit und fragten nicht weiter, denn der Mann im Wasser würde ohne Hilfe ertrinken. Ganz sicher musste man da nicht erst diesen Weiberstreit abwarten, das war seiner verärgerten Stirn deutlich abzulesen. Erneut klatschte also das Seil aufs Wasser, aufmunternde Rufe, weil der Hilflose sich nicht bewegte, dann sprang einer der Schiffsjungen ins Wasser und band dem Ritter das Seil um den Leib.
Jemand legte Ima die Hand auf die Schulter. Sie drehte sich um. Thierry stand hinter ihr, bleich, mit Furcht in den Augen. »Ist er tot?«, wisperte der Mönch.
Ima schüttelte den Kopf. »Gewiss nicht.«
»Und wenn doch?«
Da lächelte die junge Ärztin schalkhaft. »Ein Hauteville ertrinkt nicht. Er erschlägt einen Gegner und verliert dabei den Kopf, aber er ertrinkt nicht.« Und sie nickte heftig, um selbst daran zu glauben. »Er ertrinkt nicht.«
Man hatte den Ritter mit vereinten Kräften an Bord gehievt, während die Dau Fahrt aufnahm. Ein recht kühler
Abendwind kam von Norden, er bauschte das große Segel auf und schob das Schiff in Richtung Südosten, wo vor der makedonischen Küste die Insel Kephalonia im Nebel lag. Ima schauderte. Gérards Lippen waren blau angelaufen. Sie spürte Sicaildis’ Blick und ihre erwachte Streitsucht im Nacken und verbot sich jeden Schritt auf ihn zu - nein, es gehörte sich nicht, nichts von alldem gehörte sich. Thierry griff nach ihrer Hand.
»Ich kümmere mich um ihn. Man muss ja beten.« Ein mutmachender Händedruck. »Man muss für ihn beten. Das will ich tun, das kann ich wohl besser als du, liebste Freundin.« Und der kleine Mönch drückte sich an den Ruderbänken vorbei zu dem durchnässten Ritter, der gerade Meerwasser, Wut und Galle spuckte, und betete zum Allmächtigen ein Pater noster für Gérards Gemüt und noch eins als Dank, dass er der Freundin den heimlichen Liebsten wenn auch ein wenig ungeplant, aber doch buchstäblich zu Füßen gelegt und sie damit für einen Moment glücklich gemacht hatte. Imas Kuss im Wasser war nämlich nicht unbemerkt geblieben.
Zwei der Bootsjungen begannen, dem Ritter die Kleider vom Leib zu ziehen. Die Nacht auf dem Wasser brachte empfindliche Kühle mit sich, es war gefährlich, in nassen Kleidern zu schlafen. Als Gérard gewahr wurde, dass da zwei Ungläubige an ihm herumfummelten, wehrte er sie unwirsch ab: »Lasst mich in Ruhe, Pack!« Zumindest war er so vernünftig, sich dann selbst der Kleider zu entledigen, und sein grimmiger Gesichtsausdruck brachte die Dienerin dazu, sich ängstlich wegzudrehen, obwohl sein Anblick einen Blick wert gewesen wäre. Als er in Decken gewickelt auf der Bank Platz nahm und aus einem Becher erhitzten Wein nippte, atmete Ima beruhigt auf. Trotz der herzoglichen Feindseligkeit war er gut versorgt und würde nicht erfrieren.
»Zieht Euch trockene Kleider an«, befahl die Herzogin auch der Ärztin und wies das Mädchen an, in den Kleiderrollen danach zu suchen. Hinter einer vorgehaltenen Decke wechselte Ima ihr Kleid. Der Seemann am Ruder betrachtete wohlgefällig ihren langen Rücken. Frauen an Bord hatten durchaus etwas Angenehmes, da mochte Ahmed fluchen, wie er wollte. Viel zu selten gab es schöne Frauen an Bord. Er grinste. Die Nacht war lang und dunkel, und manchmal fand sich zwischen zwei Bänken genügend Platz …
Zunächst jedoch gab es Essen - für jeden ein Stück Trockenfisch und eine Schale voll kalter Hirse, die Hassan an Land noch gekocht und nun mit Zwiebeln verfeinert hatte. Die Zwiebelschärfe trieb Ima Tränen in die Augen … wirklich die Zwiebeln? Ihr Herz war schwer angesichts der glatten Wasseroberfläche, die so undurchdringlich und unendlich wirkte. Sie schielte nach der Bank weiter hinten, doch Gérard schien sich zur Ruhe gelegt zu haben. Und so starrte sie auf das immer dunkler werdende Wasser
Weitere Kostenlose Bücher