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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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hinter der Reling und gab sich dem Schaukeln des Schiffskörpers hin. Wo trieb der Seewind sie hin? Immer weiter fort von dem Ort, an dem sie geboren worden war. Ganz plötzlich hatte das Heimweh sie wieder. Es kam herangeschlichen und wühlte sich ungefragt in ihr Herz … Sie riss sich zusammen. Doch dann verschwanden die längst vergangenen Düfte, die langen, kalten Winter, die liebevollen Frauenhände und das viele Blut, das ihren Weg seit der Kindheit begleitet hatte, denn in der Hirse tauchte ein merkwürdig bitterer Geschmack auf, den sie nicht kannte und der ihren Geist beschäftigte.
    »Al-hulbah« , grinste der Koch. »Bockshornklee. Ein Kraut, das Euch helfen wird, auf See den Appetit nicht zu verlieren.«
    »Es gibt oft Stürme auf dieser Route«, bestätigte einer
der Seeleute. Ein anderer grinste. »Dann kotzen sie um die Wette. Eigentlich ist es Verschwendung, etwas zu essen, wenn man es doch wieder hergeben muss.«
    »Nicht alle«, wandte einer ein.
    »Wenn es Priester sind, so kotzen sie mit dem Segen des Herrn«, lachte der erste mit Seitenblick auf Thierry. »Und meist ist das, was rauskommt, von besserer Qualität als …«
    »Schluss damit!«, donnerte die Herzogin und blitzte den Mann ärgerlich an. »Gott ist mit uns und wird uns ohne Sturm an unser Ziel bringen.« Niemand wagte, etwas dagegen zu sagen, und eigentlich hatte sie ja auch recht. Dennoch fand Ima ihren alten Appetit nicht wieder, mochte das nun an den Geschichten der Seeleute liegen oder daran, dass Gérard hier irgendwo auf dem Schiff lag …
     
    Das Gepäck des sarazenischen Kochs enthielt nicht nur allerlei Säckchen und Päckchen, sondern auch eine sorgsam eingewickelte Tanbur - ein Saiteninstrument, welches Ima bei den Gauklern kennengelernt hatte. Hassan strich zärtlich über die Saiten, und da er die uneingeschränkte Gunst der Herzogin besaß, begann er einfach zu singen.
    »Unglaublich, findest du nicht?«, raunte Thierry wütend. »Diese Ungläubigen sind so frech …«
    » Allahu akhbar «, murmelte Hassan. Sein Blick glitt träge über den schmalen Mönch. Allah war vielleicht groß, aber Gott war es auch, denn Er hatte Hassan die Gabe geschenkt, mit seinen kunstfertigen Fingern nicht nur ein Essen zu zaubern, welches Sicaildis’ Härte milderte, sondern auch Verse zu singen, die ein Licht in ihren erloschenen Augen entzündeten. Ima legte Thierry daher warnend die Hand auf den Arm. »Lass ihn doch«, flüsterte sie und wies mit dem Kinn auf die Herzogin, die ihren Hirsenapf beiseitegestellt hatte und den Koch wohlwollend betrachtete.

    »Am Ende meiner Tage
sie mich nicht vergess,
ihr Herz ich besessen habe
und die mich nicht verlässt,
sie kühlt mir meine Seele
und schaut auf meinen Weg,
dass ich ihn nicht verfehle,
nicht strauchel auf dem Steg …«
    Mit diesem traurigen Lied sang er die kleine Reisegruppe fort von Streit und Hader. Einer nach dem anderen polsterte sich einen Platz zum Dahindämmern, und der Wind ließ die Saiten noch erklingen, als Hassan sein Instrument schon längst unter die Bank gelegt hatte.
     
    Die kleine Laterne schwankte im Wind. Die meisten Reisenden schlummerten auf ihren Bänken, und auch bei Gérard rührte sich nichts. Sicher schlief er. Ima lächelte und stellte sich vor, wie entspannt sein Gesicht im Schlaf jetzt wohl aussah. Sie hatte ihn nur einmal in tiefem Schlaf betrachten können und sich gewundert, wie Friede das kriegerische Antlitz verwandeln konnte …
    Sicaildis fand keinen Schlaf. Die Dienerin lag neben ihr und schnarchte leise. Kerzengerade saß die Herzogin gegen den Mastbaum gelehnt - der beste Platz, den das Boot zu bieten hatte - und starrte in die Dunkelheit. Ihre Ohrringe klingelten leise. Die Laterne beleuchtete zwei große Amethyste, passend zu ihren dunklen Augen. Sicaildis reiste als Herrscherin, nicht als Trauernde. Noch nicht. Strähnen hatten sich aus ihrer Flechtfrisur gelöst und tanzten um ihr schmales Gesicht. Unverwandt starrte sie vor sich hin. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, dennoch spürte Ima große Trauer und wie sie innerlich die Hand ausstreckte, um ihren Mann zu berühren.

    »Er lebt noch, ma dame «, flüsterte sie, ohne groß nachzudenken. »Er lebt.«
    »Ja.« Ihre Stimme war nur ein Hauch und ganz anders als sonst. Ima rutschte näher.
    »Habt Ihr je gehasst, Mädchen?«
    Hinter ihnen flatterte das große Segel, als hätte es sich verhört. Ima setzte sich gerade hin.
    »Meine Mutter pflegte zu sagen, dass Hass die Eingeweide

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