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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Kleider untersucht, daran meinte er sich zu erinnern. Doch seine Sinne obsiegten. Seine Aufmerksamkeit hatte ihm nicht nur einmal das Leben gerettet …
    Die Schritte kamen näher, die Bootsplanken unter ihm erzitterten ganz leise. Jemand wollte ihn berauben, ihn meucheln, vielleicht auf Weisung der alten Hexe … Gérard tastete nach seinem Messer, das er sich zwischen die Knie geschoben hatte - nur für den Fall. Hinter ihm hob sich die Decke. Sein Herz raste - unmöglich, absolut unmöglich, er träumte - ja! Nein!, jubelte sein Körper aus jeder Pore, und er ließ das Messer wieder fahren, als kühle Luft seinen Rücken streichelte und hoffen ließ.
     
    Bevor Ima unter den Decken verschwand, sah sie sich wachsam um. Ahmed bewegte sich nicht, die Nachtwachen glotzten aufs Wasser. Nur die Laterne schien sich auf diesem Schiff zu bewegen, und sie beleuchtete Sicaildis’ Gesicht. Schneeweiß leuchtete es in der Dunkelheit, und ihre schwarzen Augen ruhten auf der jungen Ärztin im Bootswinkel.
    Ima glitt dennoch unter die Decke. Es war stockfinster im Bootswinkel, doch traumwandlerisch sicher hatte sie den Weg und den Eingang in den Deckenberg gefunden, als hätte ein feiner Faden sie herbeigezogen, an allen Hindernissen und Pfützen in den Planken vorbei. Er lag so, wie sie sich das gedacht hatte, hinter der letzten Bank, den Rücken ihr zugewandt, sodass sie sich wie sein Zwilling dazulegen
konnte, flach an seinen Rücken geschmiegt, den im Übrigen kein Kleidungsstück unnötig verhüllte. Das fehlende Mosaiksteinchen war gefunden - es passte perfekt.
    Sein Rücken war starr und ohne Atem. Prüfend ließ sie die Hand über die Seitenlinie gleiten, von der sie noch wusste, wie sie sich anfühlte und dass seine Hüfte knochig war, und voller Narben von einem Kampf, den er einst verloren hatte … Seine Haut begrüßte sie mit heftiger Hitze und einer abwehrenden Anspannung, die sie unsicher machte.
     
    »Ima«, flüsterte er und schloss die Augen, inbrünstig hoffend, dass sein Herz jetzt nicht einfach zu schlagen aufhören würde. »Ima - tu das nicht …« Es schlug ihm stattdessen bis zum Hals hinauf, als wollte es beweisen, dass seine Kraft für sie beide reichen würde …
    »Ima …«
    »Schsch - sie beobachtet uns«, wisperte Ima. Als sie ihm den Arm um die Brust legte, löste sich die Starre, und er wurde unruhig. »Sch … wie kommst du nach Otranto? Was machst du hier?« Das Rascheln der Decke übertönte fast ihre Stimme, doch sie wagte nicht, lauter zu sprechen. Vielleicht hatte die ungnädige Herzogin ja auch nur vor sich hin geträumt …
    »Warum bist du mir nachgeritten, Gérard …?« Ihr Griff wurde fester, fordernder an seiner Brust, ihre Hände fingen an zu wandern, und er musste sich wieder zwingen, Luft zu holen. Alles andere entglitt ihm sowieso schon, Herr im Himmel, das hielt sein Herz nicht aus!
    »Ich war bei Trota«, presste er hervor. »Sie sagte …« Nein. So konnte er nicht anfangen. Mühsam hielt er seinen Zorn auf die alte Ärztin im Zaum, Ima konnte ja nichts dafür, dass Trota ihm nicht die ganze Wahrheit verraten hatte, um ihn von ihr fernzuhalten. Die Verrückte fiel ihm ein. »Marielva …«

    »Was ist mit ihr?«, flüsterte sie in sein Ohr, und ihr Atem strich fein wie eine Feder an seiner Wange vorbei, während ihre Hand weiter Erkundungen anstellte. »Was ist mit Marielva?«
    »Sie erzählte von der Herzogin und dass sie dich mitgenommen hat.« Für einen Moment war es still unter der Decke. Dann drehte er sich vorsichtig um. Mit der Rechten sorgte er dafür, dass die Decken nicht verrutschten, mit der Linken zog er sie an sich.
    »Das … das ertrug ich nicht.«
    »Du bist mir nachgeritten, Gérard …« Ihr Glück rieselte an ihm herab wie warmer Regen.
    Die Decken rutschten ein wenig hin und her, und noch ein wenig mehr, als die See das Boot schaukelte, und das Plätschern der Wellen übertönte gnädig, was sich auf den Planken unter den Decken zutrug. Und verschwiegen lächelnd nahm die See das Lied der Planken mit sich in die Tiefe …
     
    Längst herrschte Leben auf dem Boot, als Gérard erwachte. Sie war fort, und nur ein feiner Duft verriet, dass sie da gewesen war. Er hatte gut geschlafen - gut und so fest wie seit langer Zeit nicht mehr. Hier in seinem Eck störte ihn niemand, die Seeleute wuselten um Segel und Mastbaum herum, sodass er noch ein paar Momente für sich hatte, um, auf den Ellbogen gestützt, die schwarzen Planken anzustarren und seinen Gedanken

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