Die Totenfrau des Herzogs
eine Pferd am Zügel. Der Reiter, der sich gerade im Sattel zurechtgesetzt hatte, trat mit dem Fuß nach ihm, doch Gérard schwankte davon nicht einmal.
»Was fällt dir ein!«
»Her mit dem Pferd!«
»Was zum Teufel fällt dir ein, Hergelaufener!«
Klingen schleiften über Metall, als sie ihre Scheiden verließen, das Metall glänzte wie ein Augenaufschlag in der Morgensonne. Der auf dem Pferd zögerte nicht und hackte
auf den Angreifer ein - er war seit Monaten hier im Krieg und wusste, wie man kämpft, ohne nachzudenken. Einmal traf die Klinge das bärtige Gesicht, schlitzte die Wange auf, dann traf sie daneben, und der Normanne brüllte auf, denn seine Waffe flog durch die Luft. Mit beiden Händen packte Gérard Schwert und Arm seines Gegners und schleuderte ihn brüllend mitsamt der Klinge auf den Boden. Es krachte, gleich darauf sprang er wie ein Berserker mit beiden Füßen auf den Brustkorb seines Gegners, traf den Hals, das Gesicht, den Arm, und das Schwert sank neben dem Mann zu Boden. Die anderen Krieger hatten sich schnell von ihrem Schrecken erholt und zogen die Waffen. Gérard duckte sich und schlich breitbeinig rückwärts, das Schwert des Gegners wie einen giftigen Stachel vor sich aufgestellt.
»Nennt mich nie wieder Hergelaufener«, knurrte er.
»Nun macht schon«, zischte da jemand hinter ihm. Ein kurzer Blick zur Seite - Bruder Thierry saß auf dem Rücken des Pferdes, welches er hatte stehlen wollen, der Sattel lag auf den Steinen. Was tat der verdammte Mönch auf dem Pferd? »Runter da!«, brüllte er.
Mehr konnte er nicht brüllen, denn die Ritter griffen an. Alle drei auf einmal stürzten sie schreiend vorwärts, die Schwerter über den Köpfen - und Gérard stellte unter Beweis, dass er zu weitaus mehr in der Lage war, als sich nur zu prügeln, denn er drehte sich um und flog förmlich von hinten auf das Pferd, welches stieg, dass sie fast hintenüberkippten, und dann in panischem Galopp den Strand entlanghetzte - völlig unkontrollierbar und für die Verfolger nicht einzuholen.
Hinter der nächsten Biegung parierte Gérard das Pferd mit harter Hand durch.
»Runter mit Euch, Mönch. Sofort.« Eine Pranke umfasste die schmale Taille. Thierry klammerte beide Beine um den Pferdeleib, das Pferd begann zu tänzeln, wollte steigen.
»Ich reite mit zum Herzog.«
»Verschwindet, runter von meinem Pferd!« Sie rangelten, Flüche brachen über Gérards Lippen, von denen er nie gedacht hätte, dass sie ihm im Angesicht eines Mönchs einfallen würden, doch der Widerstand dieses Zwerges machte ihn nur noch wütender, zumal er keine Ahnung hatte, wohin der schmierige de Neuville mit Ima geritten war.
»Gib mein Pferd zurück!«, schrie es hinter ihnen, dann brachen drei von ihnen zwischen den Sträuchern hervor.
Die beiden sahen sich grimmig an. Thierrys Beine pressten sich an die Gurtlage, sein Blick verfinsterte sich. »Nun reitet schon los«, knurrte er. Und eigentlich hieß das: »Ihr werdet mich nicht los.«
Gérard gab auf. Der Mönch hing wie eine stachelige Klette an Ima, das würde er hier am Strand von Kephalonia nicht ändern. Und so trat er dem Pferd die Hacken in die Seiten, um Ima hinterherzueilen, wie er das seit vier Tagen beinah ununterbrochen tat, und es hatte den Anschein, als wäre vorerst kein Ende abzusehen.
»Verflucht!«, brüllte er in die Luft.
»Gott schütze uns«, flüsterte der Mönch und duckte sich in die flatternde Mähne.
VIERTES KAPITEL
Töten hat seine Zeit,
Heilen hat seine Zeit,
Abbrechen hat seine Zeit,
Bauen hat seine Zeit.
(Prediger 3,3)
D as Pferd keuchte vor Anstrengung, als es seine beiden Reiter die Böschung hinaufschleppen musste.
»Sollten wir nicht besser absteigen?«, rief Ima beunruhigt. Mit beiden Händen klammerte sie sich am Gürtel des Reiters fest. Sein Kettenhemd wies überall Löcher auf, und die Drahtösen bohrten sich in Imas Finger, wenn sie vom Gürtel abrutschte - noch viel schlimmer allerdings fand sie, dass es immer tiefer in diesen Wald hineinging und sie völlig die Orientierung verlor. Sie befanden sich doch auf einer Insel? Wo war das Meer geblieben? Über ihr stöhnten Pinienhänge in der beginnenden Mittagshitze. Kein Tier, kein Vogel wagte zu stören, denn das Pferd litt von allen am meisten, weil es zwei Menschen trug. Sie selbst verbot sich, an Hitze und Durst zu denken und daran, was sie hier eigentlich tat, denn sie würde sofort vom Pferd fallen, wenn sie den Mann vor sich nur losließ.
»Sind
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