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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Byzanz gebracht hätte. Diese Männer hätten ihr Leben für Robert Guiscard gegeben, das dürft Ihr mir glauben.« Er hielt inne. Neben ihm sank Markgraf Odo in die Knie. Dann Robert di Loritello. Stephano di Bari. Einer nach dem anderen beugte schweigend das Knie, selbst das Klickern der Waffen klang wie eine Hymne auf den toten Heerführer.
    War sie beeindruckt? Gerührt? Unsicher betrachtete Ima die Herzogin, die stumm dastand, während ihr Kleid im Wind wehte und ihr die Schweißperlen über das zerstörte Gesicht rannen.
    »Euer Vertrauen in meinen Herzog ist das größte Geschenk, das Ihr ihm machen konntet«, sagte sie schließlich mit leiser, aber fester Stimme. »Nehmt dieses Vertrauen und gebt es seinem Sohn Roger, den er auf dem Sterbebett noch einmal als seinen Nachfolger bekräftigt hat. Schenkt
es ihm, denn Roberts Segen und das Wohlwollen des allmächtigen Gottes liegen auf diesem Mann - und Euer Wohl ist Sein Anliegen. Roger ist … Euer Herzog.«
    Und damit sank sie zum Erstaunen aller in den Staub und küsste den Umhangsaum ihres Sohnes. Die Sonne verschwand hinter einem Wolkenband. Leiser Groll lag in der Luft - vielleicht durch die Wolken verursacht. Vielleicht aber auch durch das gerissene Lügenspiel.
     
    »Soll ich mich entfernen, ma dame ?«, fragte Ima, die von kriegslüsternen Normannen die Nase voll hatte. Sie sehnte sich nach einem Moment der Ruhe und Einsamkeit - und nach einem Stück weichem Brot. Am Zelt des Toten hatte es kein Frühmahl gegeben, und niemand hatte ihr etwas angeboten.
    »Natürlich nicht! Euer Platz ist neben mir.« Kühl blickten die grauen Augen - Sicaildis hatte sich jederzeit im Griff, und gerade jetzt scharte sie einen tüchtigen Hofstaat um sich, wie Ima erkannte. Sie war die Herzogin. Auch jetzt noch - jetzt mehr denn je. Vielleicht wurde Ima in dem Moment klar, dass Sicaildis von Salerno gerade das von Auflösung bedrohte apulische Reich zusammenhielt. Sie tat es majestätisch mitten in der brennenden Mittagssonne an der Feuerstelle, wo vergessene Brotreste in den Flammen verbrannten und wo jemand versäumt hatte, die Schemel wegzuräumen. Vieles wurde versäumt in diesen Tagen, ein gefährlicher Schlendrian drohte sich im Lager breitzumachen, den es zu Lebzeiten des Herzogs niemals gegeben hätte. Seine Frau sah die Zügel herumliegen und nahm sie fest in die Hand - ihren Griff spürte man sofort. Die Männer folgten ihr widerspruchslos in die Hitze, obwohl sie unter ihren Hemden schwitzten, dass das Wasser an den bärtigen Gesichtern herabtropfte, noch während sie sich Plätze suchten. Der Krug gab einen letzten Becher
verdünnten Wein heraus, den Ima Sicaildis reichte. Da sie furchtbaren Durst verspürte und niemand zuständig schien, ging sie selbst Wasser aus dem Fass schöpfen.
    »Ist die Gefahr gebannt?«, fragte Sicaildis, ohne den Weggang der Ärztin weiter zu beachten. »Was glaubt Ihr?«
    Marc de Neuville schaute zweifelnd drein. »Nicht alle sind überzeugt, ma dame . Ein paar von ihnen …«
    »Wer sich widersetzt, begeht Verrat«, rief Roger wütend aus. »Wer sich widersetzt, wird bestraft!«
    » Mon seignur , dazu müsst Ihr erst mal Leute sammeln, die die Aufrührer bestrafen«, wandte der alte Ratgeber des Guiscard ein. »Ihr müsst Männer um Euch scharen, die Euch folgen wollen. Männer, die Euch auch in den Tod folgen, wenn es sein muss. Die, die Euch hier treu ergeben sind, das sind zu wenige.« Harte Worte, doch de Neuville konnte sich das offenbar erlauben, denn Sicaildis nickte nachdenklich. Die Situation war prekär, Unsicherheit lag wie ein wartendes Raubtier hinter den Büschen.
    »Und wie soll ich das machen?«, fragte der junge Mann heftig. »Soll ich einen Zweikampf suchen oder allein nach Konstantinopel reiten? Sie müssen mir gehorchen - ich bin der Herzog!«
    »Ohne Eure Männer seid Ihr nichts, Roger.« Die tiefe Stimme des Guilleaume de Grandmesnil brachte ihn zum Schweigen. Ganz leise tauchte Ima den Krug ins Wasser, um bloß kein Wort der Rede zu verpassen. Guilleaumes Stimme hatte Gewicht. »Ihr müsst sie erst gewinnen. Dabei kann Euer Vater Euch jetzt nicht mehr helfen, das müsst Ihr ganz allein schaffen.«
    Und alle wussten, dass niemand Männer so motivieren und durch sein eigenes tapferes Vorbild zum Äußersten treiben konnte wie Robert Guiscard. Rücksichtslos, kühn, tapfer wie kein Zweiter. Nimmermüde, voll unglaublicher Ideen, stets gewitzter als der Gegner und immer voll
Vertrauen, dass Gott auf seiner Seite

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