Die Totenfrau des Herzogs
Tuch nicht hinkam.
Im Zelt roch es nun durchdringend nach Thymian und Myrrhe, die sie im Feuer verbrannte und der sie Weihrauch hinzufügen wollte.
»Du bist mutig, Weihrauch mit dir zu führen«, grinste Thierry. »Das gehört nicht in Weiberhand, das weißt du doch.« Damit nahm er ihr den Beutel aus der Hand. »Doch Weiberhand weiß wohl zu dosieren.« Zwinkernd streute die Weiberhand von den kostbaren Harzkrümeln ins Feuer. Ima lächelte. Zwei Menschen auf dieser Welt wussten um Thierrys Geheimnis - und auch der Allmächtige liebte die junge Frau im Mönchsgewand. Das hatte Er mehrfach bewiesen.
Gemeinsam bestrichen sie nun die Tücher mit dem duftenden Wachs und wickelten den Toten in die erstarrenden Laken. Mit dem Rest des heißen Wachses gossen sie die Mundhöhle aus. »So bringt man einen Mund zum Schweigen«, flüsterte der Mönch.
Ima hielt inne. »Er wird nicht schweigen«, wisperte sie. »Er ist ja nicht wirklich tot. Sein Geist ist noch hier. Verstehst du das?« Der Mönch sah sie erschrocken an.
»Sag so was nicht zu laut, Ima!«
Robert Guiscards lebloser Körper hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit der Person, doch es war ja nicht sein Körper, den sie meinte. Schweigend streute sie etwas von den Lavendel- und Thymianbüscheln, die ein Sklave gebracht hatte, über den Leib und deckte abschließend ein kostbares sauberes Leintuch darüber. Es würde nicht reichen, den Zerfall aufzuhalten, obwohl sie getan hatte, was sie konnte. Es würde nicht reichen. Ihr grauste davor, was sie nach der Rückkehr vom Festland hier vorfinden würde.
Am Zelteingang drehte sie sich noch einmal um. Die aufgebahrte
Leiche lag starr. Der Geist des Herzogs, so kam es ihr vor, irrte rastlos umher, als hätte er noch eine Aufgabe. Als die Zeltplane hinter ihr fiel, spürte sie den Geist im Nacken.
Roger Borsa hatte Gérard kurzerhand mit den Reisevorbereitungen betraut. Möglicherweise, weil Gérard einfach neben ihm stand, möglicherweise aber auch, weil er wusste, dass er sich auf diesen umtriebigen Normannen verlassen konnte, der ihn seit beinah einem Jahr mehr oder weniger begleitete und genauso mutig und rücksichtslos war, wie man sich das von einem Vertrauten wünschte. Geburt und Herkunft seiner Männer waren Roger gleichgültig, wenn sie sich nur durchsetzen konnten. Man munkelte, dass sein Vater einst genauso angefangen hatte. Gérard wusste die darin liegende Anerkennung zu schätzen, doch er mochte die Aufgabe nicht - er kämpfte lieber, Mann gegen Mann, in vorderster Front. Er liebte es, Beute zu machen, Land zu gewinnen und Großes mit seinen Händen zu vollbringen - doch war er in der jetzigen Situation froh, sich bewegen zu können. Im Gegensatz zu den Männern im Lager, die seit Wochen hier saßen und nicht wussten, wie es weiterging, nachdem das Festland durch Bohemunds Unglück verloren schien. Die Grübelei über Ima und wie er bei ihr seine verdammten Hände im Zaum halten sollte, raubte ihm den Verstand. Immer wieder erwischte er sich dabei, wie er am Herzogszelt vorbeischlich und versuchte, einen Blick ins Innere zu werfen, wo sie mit der Einbalsamierung beschäftigt war, wie man ihm gesagt hatte.
»Sie sticht dir in der Nase, was?«, lachte der eine Wächter, als Gérard zum dritten Mal ganz beiläufig vorbeischlenderte.
»Wir haben zwei venezianische Huren im Lager«, raunte der andere. »Godefroid di Conversano füttert sie in seinem
Zelt durch. Wenn du dich gut mit Godefroid stellst, lässt er dich vielleicht mal ran.« Seine Brauen zuckten vielsagend. »Die eine hat sooo einen großen …«
»Halt die Klappe!« Gérard stolperte davon. Noch vor einem Jahr hätte er nicht geruht, bis er die versteckten Huren gefunden und versucht hätte, und - bei Gott - sie hätten danach jeden Mann mit ihm verglichen, so war es immer gewesen. Er strich sich über den Bauch. Sein Unterleib war unruhig - hungrig wie sein Magen. Das Leben in solchen Heerlagern, fernab von Kampf und Geschehen, bekam ihm einfach nicht …
Zusammen mit einem Diener zurrte er die letzten Proviantbündel fest und befestigte sie an den Zapfen des Packsattels. Es war zwar nur ein kurzer Weg zum Schiff in der Bucht, doch tragen wollte das Gepäck niemand - also musste der Esel arbeiten, und er würde auch das Schiff besteigen, um ihnen in Bundicia das Gepäck zu schleppen. Der Esel schüttelte ärgerlich den Kopf und wollte unter dem verhassten Gewicht bocken. Gérard riss wütend am Zügel und versuchte, das Tier zu
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