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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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Schiffen, und verflucht, es war ihm auch egal. Hier lagen Schiffe, die würde er in Beschlag nehmen.
    Der Hauptmann war ein Korinthenkacker. »Eben spracht Ihr noch von einem Schiff, nun auf einmal von zweien«, begann er nörgelnd einen unnötigen Disput. »Hat man Euch nicht beigebracht, Eure Wünsche deutlich auszudrücken? Und wer seid Ihr überhaupt …«
    »Ich versichere Euch, dass wir zwei Schiffe brauchen«, erklärte Gérard ungeduldig und ohne auf die zweite Frage einzugehen. Vorsichtshalber stellte er sich breitbeinig hin. Offenbar tat diese verfluchte Kampfpause niemandem gut … Irgendwo läutete eine Glocke zum Gebet - bald würde die Herzogin kommen, und nichts war bereit. Er schwitzte. Er hasste es, den Truchsess zu geben und hinterher verantwortlich gemacht zu werden, wenn etwas fehlte. Und irgendetwas fehlte immer. Er war ein Krieger - kein Denker und Sammler, und erst recht kein Truchsess.
    »Wir brauchen zwei Schiffe - eins für den Regenten und eins für die Herzogin. Ist das so schwer zu verstehen?« Der Borsa war nicht so dumm, wie er manchmal wirkte. Jedermann kannte die tückischen Wasserstraßen zwischen den Inseln vor der griechischen Küste und wie schnell man dort bei schlechtem Wetter in Strudel geriet oder an Klippen kenterte. Von dem schlimmen Sturm vor dem Kap Linguetta, der den Guiscard einst die halbe Flotte gekostet hatte, sprachen die Krieger noch heute. Das Adriatische Meer war nicht nur wegen der angriffslustigen Venezianer ein gefräßiges Wasser. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Ertrank die Mutter, blieb zumindest Roger übrig. Oder umgekehrt. So dachte Roger sich das wohl. Glaubte Gérard, der nicht nur seine überraschende Stellung
als Truchsess, sondern auch Schiffsfahrten hasste und nun schon wieder aufs Wasser hinaus sollte.
    Doch wie er es in seinen Gedanken auch drehte und wendete: Es gab zurzeit keinen Platz für ihn. Die Kämpfe drüben an der Küste waren endgültig beendet, Roger würde den Rückzug erklären. Mutige Krieger wie er wurden nicht mehr gebraucht. Und Ima würde auf das Schiff steigen. Selbstverständlich würde er sie nicht aus den Augen lassen, Schiff hin oder her.
     
    Sicaildis von Salerno wusste offenbar sehr gut, wie man zu einer Armee sprach. Sie trug einen pelzbesetzten Seidenmantel und Geschmeide auf der Brust - nur ihr offenes, zerrauftes Haar und die tiefen Schrunden auf ihren Wangen verrieten, dass sie sich in öffentlicher Trauer befand. Einem Priester hätte die Prachtentfaltung nicht gefallen, doch den ließ sie ja auf Kephalonia zurück - lediglich Bruder Thierry befand sich als geistlicher Beistand im Gefolge. Ihr Gefolge war ohnehin zusammengeschrumpft. Das Mädchen, das ihr diente, war nicht mehr auffindbar gewesen. Vielleicht war sie fortgelaufen - vielleicht hatte sie ein gieriger Soldat in sein Zelt gezogen. Niemand hatte sie gesehen. Ersatz gab es in diesem Lager keinen. Und Hassan, ihr Koch, war am Morgen, so erzählte einer der Soldaten, mit grauem Gesicht über seinem Essen zusammengebrochen. Seither erbrach er sich und hatte sein Lager nicht mehr verlassen können. Bruder Angelo befürchtete das Schlimmste, weigerte sich jedoch, den Ungläubigen zu behandeln. Das ging ja auch gar nicht, denn wie bitte sollte man einen Kranken behandeln, für den man überhaupt nicht beten konnte? Und so war nur Ima übrig geblieben. Doch die Herzogin trug den Mangel an Gefolge mit königlicher Herablassung. Den prächtigen Schimmel ihres Gatten, auf den eigentlich der Borsa ein Auge geworfen hatte, führte sie selbst am Zügel. Sein Schweif pendelte entspannt
hin und her und gab der Abreise etwas Heiteres, obwohl der Anlass überhaupt nicht heiter war.
    »Wir enden noch bei den wilden Amazonen«, murmelte Ima grimmig. Thierry lachte leise und tastete nach ihrer Hand. »Dann sollen sie sich vor uns in Acht nehmen«, flüsterte er. »Wir sind nämlich ein respekteinflößender Anblick.«
    »Findest du uns respekteinflößend?«, fragte Ima zurück.
    Thierry nickte. »Ein Heer von Frauen, überleg mal.« Er zwinkerte. »Ein Heer von Frauen zieht gegen feige Männer. Wie der Allmächtige das wohl findet?« Gespielt zog er die Nase hoch und wirkte regelrecht übermütig. »Ich glaube, der Allmächtige ist auf unserer Seite, Ima. Auf deiner und auf meiner. Und auf ihrer natürlich auch.« Und er drückte ihre Hand voller Zuversicht.
    »Auf ihrer ist Er immer«, flüsterte Ima.
    »Er muss«, wisperte der Mönch und unterdrückte das Lachen.

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