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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar Trodler
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»Er muss ja …«
    Ima seufzte über den Blitzaufbruch, der Herzogin Sicaildis ähnlich sah. Das ganze Lager war in Aufruhr. Immerhin hatte Ima es geschafft, sich Gesicht, Hals und Hände zu waschen, um den Geruch der Balsamierung zu vertreiben. Ihr Kleid war ausgebürstet. Ohne den Reisestaub sah es recht ordentlich aus, und die blaue Farbe mit der goldgelben Saumstickerei leuchtete hoffnungsfroh in der Sonne. Auch die Haare hatte sie frisch eingeflochten. Ihr Zopf reichte wieder bis auf die Schultern - wie lange hatte sie darauf gewartet, nachdem sie ihn vergangenes Jahr abgeschnitten hatte, um im Heer des Guiscard nicht aufzufallen! Ein sauberer Schleier bedeckte ihren Kopf, die Kräutertasche hing ordentlich über ihrer schmalen Schulter. Der Seewind bauschte das Kleid um ihre schlanken Beine. Natürlich glotzten die Männer. Sie glotzten immer.
    Mit gereckter Nase schritt sie an ihnen vorbei und kletterte über die Reling der Liburne.

SECHSTES KAPITEL
    Jenseits aller Vorstellungen von richtigem
und falschem Handeln
da ist ein leeres Feld.
Da will ich dir begegnen.
    (Rumi)
     
     
    G érard hasste das Wasser. Dennoch stand er vorn am Bug, die Hand souverän auf der Reling, und schaute nach vorn, wo bald die Küste auftauchen musste.
    »Immer wieder ein Wunder, wie schnell Gott einen vorwärtsschickt, nicht?« Der alte de Neuville hatte es sich nicht nehmen lassen, Roger auf seiner schwierigen Mission zu begleiten. Er hatte das makedonische Festland mit erobert und dem Guiscard in allen schweren Kämpfen der letzten Jahre zur Seite gestanden. Vermutlich kannte Marc jeden Flecken auf der anderen Seite des Meeres - die Geschichte der Balkaneroberung war auch de Neuvilles Geschichte. Im letzten Jahr schließlich hatte er zwei Söhne auf einem der vielen Schlachtfelder verloren.
    »Ihr seid mutig, dass Ihr diesen Weg noch einmal geht, Herr«, bemerkte Gérard und sah ihn von der Seite an.
    »Ich möchte mich von diesem Land verabschieden. Eine Ära geht zu Ende, wisst Ihr.« Schweigend standen sie nebeneinander, und das Meer bot ihren Gedanken ein plätscherndes Bett … der Geist des Herzogs schwebte über den Wellen vor ihnen her. Hinter dem Boot schäumte das Wasser und schaffte vielleicht Platz für Neues.

    Die Liburne der Herzogin erwischte eine günstige Bö. Ihr Segel blähte sich großspurig, dann zog sie an Rogers Schiff vorbei. Die Herzogin stand wie Gérard vorn an der Bootsspitze und schaute in eine Zukunft, die eigentlich ihrem Sohn gehören sollte. Doch der hockte hinter ihnen und frönte dem Würfelspiel.
    »Sie ist die unglaublichste Frau, die ich je erlebt habe«, brummte der alte Mann. »Sie schmückte den Guiscard mehr als jedes Juwel.« Sie ist Apulien. Das sagte er nicht, das flüsterte das Segel über ihnen. Sie ist Apulien .
    Was mag wohl in ihr vorgehen, dachte Gérard und suchte gleichzeitig das Boot nach Ima ab, doch die war nicht zu sehen.
     
    »Was mag nur in ihr vorgehen?«, fragte Ima, während die Liburne Fahrt aufnahm und mit dem Wind nach Osten kreuzte. Die zum Rudern abkommandierten Krieger hatten ihre Riemen aufgesteckt und ruhten sich aus - in den Meerengen vor Bundicia würde es noch anstrengend genug werden. Nur nicht zu viel bewegen. Das Essen war schließlich seit Wochen rationiert, und niemand im Heer fühlte sich mehr auf der Höhe seiner Kräfte, zumal die Sonne hier auf dem Meer ordentlich brannte.
    »Was glaubt Ihr?« Marius de Neuville ließ sich neben Ima nieder. Seit der Ankerlichtung hatte er sie nicht aus den Augen gelassen. Sie spürte sein Interesse wie eine vorwitzige Hand auf ihrem Gesicht, und Begehrlichkeit ließ ihn näher rücken. Auf einem Schiff indes konnte man sich nicht aus dem Weg gehen, daher machte sie ihm Platz. Seine wohlerzogene Art war im Vergleich zu manch anderem Ritter angenehm. Er reichte ihr einen Becher Wasser und lehnte sein Schwert so gegen einen Sack, dass es nicht auf ihre Füße fallen würde. Wie ein Kissen wirkte seine Gegenwart - eine Erinnerung an den angelsächsischen Hof, wo sie groß geworden
war, und an die fürsorglichen Menschen daheim auf Lindisfarne …
    »Was glaubt Ihr, was in ihr vorgeht? Trauer? Seid versichert, dass es keine größere Trauer geben kann als die von …«
    »Ich weiß das, mon seignur .« Sie wandte sich ihm zu und betrachtete seine ungewöhnlich grünen Augen. »Was aber geht im Kopf einer Dame vor, die sich aufmacht, zu einem Heer zu sprechen, um es nach Hause zu holen?«
    » Ma dame , die Dame

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