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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Ahnung.«
    »Kann ich das Geld abheben?«
    Ein energisches Kopfschütteln war die Antwort. »Erst wenn es auf dem Konto ist.«
    »Aber ich brauche es jetzt! Sofort!«
    Der Bankbeamte schüttelte immer noch den Kopf und presste streng die Lippen aufeinander. »Wir haben heute bis dreizehn Uhr dreißig geöffnet«, sagte er, »kommen Sie nachher noch mal wieder. Vielleicht ist das Geld dann da. Buongiorno.«
    Lukas sagte eigentlich nur aus Gewohnheit Grazie und verließ die Bank.
    Gegenüber war eine kleine Bar. Er bestellte sich einen Espresso und ein großes Mineralwasser, setzte sich ans Fenster und schrieb sich mithilfe seines Wörterbuchs, das er in der Jackentasche hatte, alle Vokabeln heraus, die bei seinem zweiten Besuch eventuell auftauchen könnten, damit seine Chance, den Bankbeamten zu verstehen, größer war.

    Um dreizehn Uhr fünfzehn ging er wieder hinüber.
    In der röhrenartigen Schleuse, durch die man jede italienische Bank betreten oder verlassen musste, ein Horrortrip für jeden Klaustrophobiker, legte Lukas wie erforderlich seinen Zeigefinger auf die kleine, rot beleuchtete Glasplatte, um seinen Fingerabdruck einscannen zu lassen und dann den Öffnungsmechanismus der Tür zu aktivieren, aber die Tür öffnete sich nicht. Bei seinem ersten Besuch hatte es beim fünften Mal geklappt, jetzt passierte gar nichts. Er probierte alle Finger mehrmals durch - die Tür blieb geschlossen. Allmählich verlor er die Nerven. Es war jetzt dreizehn Uhr zweiundzwanzig. Wenn er Pech hatte, schloss der Schalter genau vor seiner Nase.
    Er begann mit der flachen Hand gegen das Panzerglas der Röhre zu schlagen und laut zu rufen. »Hallo!«, schrie er, und »non funziona!«.
    Der Schalterbeamte wurde auf Lukas aufmerksam und sah ihn fragend an. Herrgott noch mal, dachte Lukas, nun drück auf den Knopf und mach auf! Was glaubst du wohl, warum ich hier in dieser Glasglocke stehe! Weil ich es so witzig finde?
    Der Schalterbeamte versuchte Lukas mit Zeichensprache klarzumachen, dass er einen Finger auf das kleine Glasfenster legen musste.
    Lukas flippte fast aus. Er schlug wieder gegen die Wand und schrie jetzt auf Deutsch, weil er italienisch nicht fluchen konnte. »Es geht nicht!«, brüllte er. »Was glaubst du, was ich die ganze Zeit mache! Hundertmal habe ich den Finger hier raufgelegt, du Spinner, aber die Scheiße funktioniert einfach nicht! Schafft euch nicht so eine hirnrissige Tür an, wenn ihr technisch nicht in der Lage seid, das
Ding auf- und zuzumachen. Verdammt noch mal, mach auf!«
    Der Schalterbeamte hatte zwar kein Verständnis für den tobenden Lukas, aber er hatte ein Einsehen, drückte auf den Knopf, und die Tür öffnete sich lautlos.
    Dreizehn Uhr fünfundzwanzig. Lukas war schweißgebadet. Dieses Theater mit der Tür ertrage ich nicht jedes Mal, wenn ich einfach nur ein paar Euro oder einen Kontoauszug holen will. Das ist Wahnsinn. Da suche ich mir lieber eine andere Bank, bei der die Türen funktionieren.
    Der Schalterbeamte lächelte süßlich und erklärte irgendetwas von einem neuen Legge in Italia, einem neuen Gesetz, das solche Türen vorschreibt, um dem Bankraub vorzubeugen.
    »Ja, ja, ja«, stöhnte Lukas und meinte auf Englisch: »Ich hab ja wirklich nichts gegen diese Türen, wenn sie funktionieren. Und jetzt gucken Sie bitte nach, ob das Geld inzwischen auf meinem Konto ist.«
    Der Angestellte sagte gar nichts mehr. Er hackte ernsthaft und angestrengt auf dem Computer herum und schob dann stumm einen Zettel unter der schusssicheren Glasscheibe durch.
    »Sind jetzt beide Überweisungen angekommen?«
    »No.« Der Schalterbeamte hielt den Daumen in die Höhe, was so viel hieß wie: Nur eine.
    Lukas seufzte, trug auf dem Formular die Summe von 12 500 Euro ein und unterschrieb. Dann zahlte ihm der Angestellte das Geld aus. In Fünfzig-, Hundert- und Zweihunderteuroscheinen.
    Lukas hatte gehofft, Topo einen diskreten Briefumschlag zustecken zu können, jetzt hatte er ein dickes Bündel in der Hand, das er schon fast als Päckchen verpacken konnte.

    »Grazie«, sagte er wieder und verließ problemlos die Bank. Die Tür öffnete sich sofort, geräuschlos und wie durch Zauberhand.
    Es war dreizehn Uhr dreiunddreißig, als Lukas wieder auf der Straße stand und erleichtert durchatmete.

57
    Topo kam am nächsten Morgen um zehn Uhr dreißig. Wie Lukas vermutet hatte. Er trug eine leichte Baumwollhose, ein weißes T-Shirt und einen teuren, ledernen Gürtel mit silbernem Wappen. Außerdem einen

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