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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Mineralwasser und einen billigen Rotwein enthielt.
    Lukas seufzte und ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, obwohl er wusste, dass er noch lange nicht würde schlafen können. Wahrscheinlich ging es Magda im Zimmer gegenüber genauso. Was für ein Irrsinn, zwei Zimmer zu nehmen. Nicht nur eine wirtschaftliche Dummheit, es war so unnötig und trostlos.
    Nach einer Viertelstunde schaltete er den Fernseher wieder ein. Das Programm war ihm mittlerweile egal, Hauptsache
war, dass ein paar Stimmen über die Leere des Zimmers hinwegtäuschten.
    Magda war ganz nah. So nah, wie sie ihm noch nie gewesen war, denn wenn sie davon ausging, dass Johannes tot war, dann war sie frei. Jahrelang hatte er davon geträumt.
    Zweimal ging er in den Flur, um an ihre Tür zu klopfen, ließ es dann aber bleiben. Er fürchtete, ihr auf die Nerven zu fallen.
    Rast- und ruhelos wanderte er in seinem unerträglichen Zimmer auf und ab, überlegte, vielleicht noch mal auf die Straße zu gehen, um eine Bar zu suchen, in der er sich müde trinken konnte, aber dann tat er es doch nicht. Legte sich aufs Bett und verfluchte den Kaffee, den er in der Bar am Tiber bestellt hatte.
    Irgendwann schlief er ein, während der Fernseher weiterlief. Gegen zwei Uhr morgens gab es eine Tiersendung, und das Brüllen der Löwen, das Kreischen der Papageien und das Meckern der Affen baute er in seine Träume mit ein.

39
    Sie frühstückten um neun. Magda sah blass und übernächtigt aus und war ungewöhnlich still.
    »Wie hast du geschlafen?«, fragte Lukas und küsste sie zur Begrüßung.
    »Einigermaßen«, meinte sie ausweichend.
    Der Frühstücksraum des Hotels Rosalia war hell gefliest, grell beleuchtet und so liebevoll eingerichtet wie die Betriebskantine eines Supermarktes. In diesem kalten Raum fröstelte man unwillkürlich, ganz gleich, wie warm es draußen war. Die Klimaanlage brummte und blies überflüssigerweise noch eiskalte Luft aus länglichen Gittern an der Decke.
    Das im Prospekt angepriesene Buffet war ein Witz. Staubiger Kuchen, süße Brötchen und trockenes Brot. Dazu abgepackter Honig, Marmelade und ein paar Käseecken. Magda, die so gern deftig frühstückte, suchte vergeblich eine Scheibe Schinken oder Salami, Lukas, der morgens am liebsten Obst aß, fand noch nicht mal einen Joghurt oder einen Quark, geschweige denn einen Apfel, eine Apfelsine oder einen Obstsalat. Auch Eier gab es nicht.
    »Bitte entschuldigen Sie vielmals, dass ich störe«, sagte Magda zum Kellner, der Espressotässchen polierte, mit einem schneidend sarkastischen Unterton, »könnte es sein, dass Sie das Obst und den Aufschnitt vergessen haben?«

    »Nein, das kann nicht sein«, antwortete der Kellner gelangweilt, »das Buffet ist komplett. So wie es hier steht. Da fehlt nichts, Signora.« Er lächelte süßlich.
    »Das ist nicht komplett - das ist erbärmlich. Im Grunde eine Frechheit.«
    »Bisher hat sich noch niemand beschwert.«
    »Dann bin ich eben die Erste.« Magda platzte fast vor Wut, aber der Kellner polierte ungerührt weiter, zuckte die Achseln und war in keinster Weise irritiert.
    Magda und Lukas tranken ihren Kaffee aus, und Magda warf ihr Glas um. Der Orangensaft ergoss sich über die Tischdecke. Sie hatte es so geschickt getan, dass es wirklich aussah, als wäre es aus Versehen passiert.
     
    Über Rom hing an diesem Morgen eine dicke Wolkendecke und verstärkte noch Magdas düstere, dumpfe Stimmung.
    Sie waren nur fünf Minuten unterwegs, als sie schon die lange Schlange sahen. Hunderte von Menschen standen nach Eintrittskarten für die Sixtinische Kapelle an.
    »Das schenken wir uns«, meinte Magda, »ich muss hier nicht unbedingt noch drei Stunden warten.«
    Sie gingen direkt in den Petersdom.
    Bereits beim Eintreten in das gewaltige Gebäude spürte Magda das überwältigende Gefühl, etwas Großem gegenüberzustehen. Hier konnte sie sich klein und unscheinbar fühlen, und gleichzeitig reduzierten sich ihre Probleme auf ein winziges, zu ertragenes Maß.
    »Es tut mir leid, Lukas«, sagte sie, als sie die Mitte des Domes erreicht hatten und unter der riesigen Kuppel standen, »ich muss eine Weile allein sein. Lass mich einfach hier. Eine Stunde oder zwei, keine Ahnung, wie lange. Mein
Leben ist aus den Fugen, vielleicht kann ich es wieder in Ordnung bringen. Eventuell finde ich hier die Ruhe, die mir völlig abhandengekommen ist.«
    »Okay«, meinte Lukas und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie enttäuscht er war, dass sie ihn

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