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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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unbemerkt um die Ecke zu bringen.
    Es kam niemand anderer infrage.
    Johannes hatte keine Feinde und eine ziemlich gut funktionierende Ehe. Bis auf die kurze Affäre mit Carolina vielleicht. Aber die ganze Sache war beendet, und Carolina war am Telefon auch nicht besonders gut auf Johannes zu sprechen gewesen. Es gab daher sicher keine Scheidungs- oder Trennungspläne, im Gegenteil: Johannes und Magda waren gerade dabei, einen gemeinsamen Urlaub zu verbringen. Magda hatte also - wenn überhaupt - nur den Hauch eines Motivs und würde nicht so schnell Probleme bekommen.
    So wie die Situation war, würde er bei Auffinden der Leiche erst einmal in italienische Untersuchungshaft wandern und dort monatelang schmoren, bis der Fall vollständig ermittelt war und Anklage erhoben wurde. Und er hatte wenig Hoffnung, jemals wieder aus dem Knast herauszukommen, wenn er erst einmal drin war.
    All diese Punkte lagen auf der Hand, das Irrsinnige daran war nur, dass er definitiv nicht der Mörder war. Aber Johannes war tot, daran gab es keinen Zweifel. Wer hatte ihn dann umgebracht, wenn kein Feind in Sicht war und niemand ein ausreichendes Motiv hatte? Wer zum Teufel? Magda etwa?
    Nein. Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie war der liebevollste und sensibelste Mensch, den
er je kennengelernt hatte. Zart, sanft und mitfühlend. Leidenschaftlich und treu. Wenn sie einen Menschen liebte, dann ging sie für ihn durchs Feuer.
    Aber wer dann?
    Lukas wurde klar, dass er nur eine Möglichkeit hatte, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, die sich langsam zuzog. Er musste Italien und somit auch Magda verlassen. Denn warum sollte der Finder der Leiche noch lange damit warten, zur Polizei zu gehen? Dafür gab es keinen Grund, und einen Erpressungsversuch hatte er nicht gestartet. Er hatte einfach nur dieses Bild geschickt. Keinen Satz dazugeschrieben, keine Forderung, nichts.
    Nein, der große Unbekannte würde nicht mehr ewig stillhalten, wenn er sich jetzt schon aus dem Dunkel ins Licht gewagt hatte. Darum musste Lukas verschwinden. So schnell wie möglich zurück nach Deutschland, bevor die ganze Sache aufflog. Dann konnten sie ihn nicht so leicht ins Gefängnis stecken. Die bürokratischen Mühlen mahlten langsam, über eine Ländergrenze hinweg wahrscheinlich noch langsamer. Er musste mit Magda zurück nach Berlin, bevor es aussah wie eine Flucht.
    Oder allein. Im Notfall müsste er Magda hier auf La Roccia zurücklassen, denn wie sollte er ihr klarmachen, dass es besser war, sofort den Urlaub abzubrechen? Das würde sie nie verstehen.
    All diese »Wenn« und »Aber« kreisten in Lukas’ Kopf. Doch am schmerzlichsten war der eine und einzige Gedanke, der ihm allmählich zur Gewissheit wurde: Er konnte Magda jetzt nicht alleinlassen! Nicht nur, weil er Angst um sie hatte, sondern weil sie sich wieder verlassen fühlen und er sie verlieren würde. Und mit ihr alles, was er soeben erst gewonnen und wovon er sein Leben lang geträumt hatte.

    Ganz gleich, was er auch tat: Er saß in der Falle.
    Lukas briet sich zwei Spiegeleier und trank ein Bier dazu. Wo konnte sie bloß sein? Und warum schloss sie das Haus nicht ab, wenn sie irgendwohin fuhr?
     
    Die Frau am Empfang des Pronto-Soccorso trug die Berufskleidung der Schwestern im Krankenhaus: grüne Hose, grünes Hemd und passend dazu grüne Gummiclogs, in denen ihre nackten Füße steckten. Das war das Erste, was Magda bemerkte. Sie schüttelte sich innerlich und stellte sich die Schweißfüße vor, die die Schwester in diesen Schuhen bekommen musste.
    Ihr Blick war streng und wenig mitleidig, und man konnte sich problemlos vorstellen, dass sie so manchen allein durch ihr Auftreten und ihre Ausstrahlung in die Flucht schlug.
    In dem Vorraum, in dem auch der Empfangstresen stand, warteten sechs Personen. Magda zeigte der Schwester ihre extrem geschwollene Hand, erklärte, dass eine Hornisse sie gestochen hatte, und wollte gerade bei den anderen Wartenden Platz nehmen, aber die strenge Schwester winkte sie sofort zu sich und bat sie, ihr zu folgen.
    »Ich warte hier auf dich«, rief Gabriella ihr hinterher, und Magda nickte dankbar.
    Während der Autofahrt hatten sie gemeinsam beschlossen, es so zu halten wie fast alle, die in Ambra oder anderen kleinen Dörfern wohnten: Man duzte sich. Magda freute sich darüber. Sie fühlte sich Gabriella bereits sehr verbunden, was ihr guttat.
    Der Arzt, der Magdas Hand begutachtete, schüttelte nur den Kopf, verließ den Raum und

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