Die Totengräberin - Roman
kam Sekunden später mit einer scharfen Zange wieder.
»Ansonsten geht es Ihnen gut?«, fragte er. »Oder ist Ihnen schwindlig, übel, haben Sie Atembeschwerden?«
»Nein. Ansonsten geht’s mir gut«, erwiderte Magda.
Bei dem Versuch, zwischen den Ring und das heiße pralle Fleisch zu kommen, verletzte er Magda, der Finger blutete. Aber das störte den Arzt nicht. Er hielt Magdas Hand fest, und sein Griff war erbarmungslos. Dann bohrte er weiter. Magda biss die Zähne zusammen und betete, dass es bald vorbei sein möge. Schließlich hatte der Arzt mit der Zange Halt unter dem Ring bekommen und knipste das Gold durch. Dazu brauchte er die Kraft seiner beiden Hände und bat Magda, um Gottes willen stillzuhalten, damit er sie nicht noch mehr verletzte.
Magda hatte den Eindruck, eher in den Händen eines Maschinisten als eines Arztes zu sein, aber nach endlosen Sekunden bog er den Ring auseinander und zog ihn vom Finger.
»Das war’s«, meinte er und stand auf.
»Danke«, sagte Magda.
Ein Pfleger wusch Magdas blutende Hand, massierte den Finger, damit sich der Blutfluss wieder normalisierte, und gab Magda eine Spritze gegen die Allergie. Damit war der Fall für ihn erledigt.
»Bekomme ich noch irgendwelche Medikamente?«, fragte Magda den Arzt, der den Bericht dieser Behandlung in einen langsamen Uraltcomputer mit bauchigem Bildschirm tippte.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Das geht von allein weg. Wenn die Hand nach drei Tagen nicht deutlich abgeschwollen ist, kommen Sie wieder.« Er druckte den Bericht aus, drückte ihn Magda in die Hand und verabschiedete sich.
»Alles Gute«, meinte er noch und verließ den Raum.
Gabriella stand auf und lächelte, als Magda wiederkam. »Das ging ja schnell«, meinte sie. »Und? Ist der Ring ab?«
Magda nickte und öffnete ihre gesunde Hand, in der der zerschnittene Ring lag.
»Was wird dein Mann dazu sagen?«, fragte Gabriella.
»Nichts. Es war ja schließlich nicht meine Schuld.«
Gabriella und Magda gingen langsam zum Auto.
»Ich habe gehört, dein Mann ist verschwunden?«
»Wo hast du das gehört?«
»Im Dorf. Du glaubst ja nicht, was alles geredet wird. Du musst bloß in den Alimentariladen gehen, dann weißt du Bescheid.« Auf keinen Fall wollte Gabriella, dass Magda wusste, dass sie die Frau des Dorfpolizisten war, um die Vertrauensbasis, die sich gerade so wunderbar aufbaute, nicht zu zerstören.
»Ja, das ist klar«, sagte Magda, »ich dachte bloß nicht, dass auch wir Gesprächsthema sind. Immerhin wohnen wir ziemlich einsam und sind auch nur zweimal im Jahr im Urlaub hier.«
»Das schon, aber man kennt euch. Und wenn man euch im Ort begegnet, weiß man, wer ihr seid.«
Magda nickte. Das leuchtete ihr ein. Ambra war klein, und es passierte so wenig, da war man dankbar über jede Nebensächlichkeit, die man auf der Straße durchdiskutieren konnte. »Ja, mein Mann war verschwunden«, meinte sie, als sie in Gabriellas Wagen stiegen. »Er hat sich nicht mehr gemeldet und ich hatte Angst um ihn. Aber jetzt ist er wieder da. Ich bin nach Rom gefahren und habe ihn gefunden.«
»Das ist ja fantastisch. Wie hast du ihn denn gefunden?«
»Durch Zufall. Plötzlich standen wir uns gegenüber.«
»Und warum ist er nicht nach Hause gekommen oder hat angerufen?«
»Mein Telefon auf La Roccia war gestört. Das hab ich gar nicht gewusst. Das Freizeichen erklang, aber ich konnte nicht angerufen werden. Und da er sein Handy verloren hatte, wusste er meine Handynummer nicht. Die hatte er nicht aufgeschrieben, sondern im Handy gespeichert. Da war überhaupt alles gespeichert. Die Nummer seiner Mutter, von anderen Freunden und so weiter. Er war ziemlich verzweifelt, dass er mich nicht erreichen konnte, weil er wusste, dass ich mir fürchterliche Sorgen machte.«
»Und warum ist er nicht wie verabredet nach Hause gekommen?«
»Er war krank. Hatte eine Sommergrippe. Ganz schön heftig. Mit hohem Fieber. Drei Tage lang wusste er überhaupt nicht mehr, wo er wohnt und wie er heißt, konnte sich in seinem Zimmer gerade bis zur Toilette schleppen. Furchtbar, wenn einem so was im Hotel und in einer fremden Stadt passiert.«
Gabriella versuchte, sich all das, was Magda gesagt hatte, einzuprägen und dennoch ein entspanntes und freundliches Gesicht zu machen.
»Und wie geht es ihm jetzt?«
»Besser. Viel besser. Eigentlich wieder richtig gut. Er hat noch ein paar Kreislaufprobleme, aber mehr nicht.«
»Ich freu mich für dich, dass die ganze Geschichte ein gutes Ende
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