Die Totengräberin - Roman
genommen hat.« Gabriella drückte Magdas Hand. »Und wenn du noch mal nach Rom fährst, dann sag mir Bescheid, dann komme ich mit. Ich bin Römerin und kenne mich in dieser Stadt sehr gut aus. Vielleicht kann ich dir schöne Ecken zeigen, die du allein nicht finden würdest.«
»Das wäre wunderbar«, meinte Magda ehrlich und glaubte in diesem Moment, eine neue Freundin gefunden zu haben.
Lukas kontrollierte das Telefon. Es war in Ordnung. Verdammt noch mal, es war doch wirklich kein Problem, eine kleine Nachricht aufzuschreiben, wenn man wegmusste! Und sie konnte sich sicher besser vorstellen als jeder andere, wie es war, wenn man sich Sorgen machte!
Einige Minuten später hielt er die Untätigkeit nicht mehr aus. Er stellte das schmutzige Geschirr in die Spüle und ging hinaus, um den Rasen zu mähen.
Als er gerade anfangen wollte, sah er ihren Wagen die Straße herunterkommen. Ungewöhnlich langsam.
Das Gefühl der Erleichterung war wie ein Schluck kühles Wasser nach tagelangem Ritt durch die Wüste. Er spürte, dass die Kraft wie ein warmer Strom zurück in seine Adern floss und ihn mit Zuversicht erfüllte. Er würde sich nicht unterkriegen lassen, und er würde bleiben.
Magda stieg aus dem Auto und hielt statt einer Erklärung nur ihre deformierte Hand in die Höhe.
»Du lieber Himmel! Was hast du denn gemacht?«
Er legte den Arm um ihre Schulter, sie setzten sich auf die Terrasse, und sie erzählte die ganze Geschichte.
»Ich hab mir Sorgen gemacht«, sagte er, »ich wusste ja nicht, wo du warst. Du hast keinen Zettel hinterlassen und noch nicht mal die Tür abgeschlossen.«
»Hab ich das nicht? Komisch, das war mir gar nicht bewusst. Dann muss ich es wohl vergessen haben.«
»Ich dachte, Wunder was passiert ist …«
»Du Armer«, sagte sie, ging zu ihm und kraulte ihm den Nacken. »Das tut mir leid. Ich muss mal versuchen, ganz
bewusst an so was zu denken. Aber alles, was ich automatisch mache, weiß ich fünf Minuten später nicht mehr, und manchmal vergesse ich es auch. Und selbst das merke ich nicht.«
Sie holte aus ihrer Handtasche den kaputten Ring und legte ihn auf den Tisch.
»Einen Wunsch habe ich noch, Johannes. So ein Ehering bedeutet mir unendlich viel. Wenn meine Hand wieder abgeschwollen ist, dann lass uns nach Florenz fahren. Wir sollten uns neue Ringe aussuchen. Vielleicht beginnt gerade ein anderer, ein noch viel schönerer Abschnitt unserer Ehe.«
Lukas war einen Moment sprachlos, aber dann nahm er sie in den Arm. »Das ist eine wunderbare Idee. Das machen wir.«
Er küsste sie und versuchte glücklich zu sein, aber es gelang ihm nicht. Die Ahnung, dass ein Sog dabei war, ihn unaufhörlich in die Tiefe zu ziehen, war stärker.
46
»Verdammt noch mal, es gibt keinen Fall!«, fluchte Neri, als er pünktlich um Viertel nach sieben zum Abendessen nach Hause kam. »Die Signora hat heute Nachmittag angerufen und die Vermisstenanzeige zurückgezogen. Leider war ich nicht da, und Alfonso war am Apparat.«
»Wo warst du denn?«
»Ich hab die Kollegen aus Bucine bei einer Verkehrskontrolle unterstützt.«
»Das ist ja dumm. Wäre vielleicht nicht schlecht gewesen, der Signora mal ein bisschen auf den Zahn zu fühlen.«
Neri hörte sehr wohl Gabriellas spitzen Ton und war schon wieder genervt. Was konnte er denn dafür, wenn er zu dieser blöden Kontrolle abkommandiert wurde? So machten auch Kollegen aus Bucine, San Giovanni oder Loro Ciufenna die Kontrollen in Ambra, um Vetternwirtschaft zu vermeiden.
»Himmelherrgott noch mal, Gabriella, hör auf mit deiner kriminellen Fantasie! Der Mann ist wieder da und basta. Ich hätte einen Mordfall wirklich gut gebrauchen können, ich hab ihn mir sogar gewünscht, aber was nicht ist, ist nicht. Da kann man nichts dran ändern. Schließlich können hier in unserem kleinen Valdambra die Leute nicht reihenweise um die Ecke gebracht werden, nur damit ich eine
Chance bekomme! Das wäre wohl ein bisschen zu viel verlangt.«
»Deine dritte Chance, Liebling! Mir hat sie übrigens auch erzählt, dass ihr Mann wieder da ist«, sagte Gabriella betont gelangweilt und wippte mit dem Fuß auf und ab, was Neri wahnsinnig machte.
»Wieso hast du heute mit ihr gesprochen? Fängst du jetzt an, meine Arbeit zu machen?« Neris Stimme klang hoch und schrill.
»Du kannst dich abregen, mein Schatz. Ich hab sie beim Arzt getroffen, und wir sind zufällig ins Gespräch gekommen. Und dann hab ich sie zum Pronto Soccorso gefahren, weil sie nach einem
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