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Die Totenmaske

Die Totenmaske

Titel: Die Totenmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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Satz ausgesprochen hatte, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war. Frau Nauens Gesicht verlor jegliche Farbe. Ihr Mund öffnete und schloss sich. Sie starrte Zoe an. Dieses Mal blickte sie ihr in die Augen, und zwar mit einer Intensität, dass es Zoe eiskalt den Rücken hinunterlief.
    »Sollten wir das? Das Leben geht weiter, meinst du wohl …« Sie stockte. Über den zusammengekniffenen Lippen wirkte ihre Nase noch spitzer. »Soll ich dir mal was sagen? Diese angebliche Tatsache fand ich immer schon inakzeptabel«, presste sie hervor.
    Die Risse in der Fassade stachen überdeutlich hervor, beinahe so, als stünde eine völlig andere Frau auf der Landstraße.
    »Das habe ich nicht gemeint«, erwiderte Zoe. »Okay, lassen wir das … ich kümmere mich um Ihren Wagen, damit Sie weiterfahren können.«
    Ohne sich erneut zu ihr umzuwenden, öffnete sie die Klappe und beugte sich über den geräumigen Kofferraum. Je eher sie hier wegkam, desto besser.
    Nichts zu sehen von einem Kanister. Nur lauter Werkzeugteile. Merkwürdig. Sie zog den Verbandskasten aus der hinteren Nische. Doch dahinter gähnte Leere.
    »Hier ist kein …«
    Zoe wollte sich aufrichten, doch ein heftiger Stoß traf sie im Rücken. Mit einem Aufschrei fiel sie vornüber. Der Kofferraumdeckel klemmte ihren Oberkörper schmerzhaft gegen die Karosserie. Die metallenen Schlosshalterungen drückten in ihren Magen. Eingequetscht wie ein Kartenmännchen, brachte sie nur ein Keuchen heraus. Übelkeit kam in ihr hoch. Endlich wurde die Klappe wieder angehoben, aber nur so weit, damit die Frauenhand neben ihr hineingleiten und nach einer Rohrzange greifen konnte. Alarmiert versuchte Zoe, sich aufzurichten, doch sie war zu langsam.
    Der nächste Schlag traf ihre Schläfe mit der Wucht eines explodierenden Feuerwerkskörpers. Die Welt hüllte sich in Schwärze.

Kapitel 18
    L eon flimmerten die Augen. Seit Stunden starrte er auf den Bildschirm und hatte nicht einmal die Hälfte der über zweihundert Fotos gesichtet, die Josh anscheinend am Tatort geschossen hatte. Vor lauter Grün konnte er kaum noch etwas erkennen. Wen interessierten Nahaufnahmen von Blättern? Ihn nicht. Er klappte seinen Laptop zu. Eine Wahl hatte er nicht, also würde er eine kurze Pause einlegen. Ohnehin überwog letztlich die erwartungsvolle Anspannung. Ein unbestimmtes Gefühl deutete darauf hin, dass er auf ein Foto stoßen würde, das mehr als Gebüsch zeigte. Etwas, das ihn weiterbringen würde. Bestenfalls ein Täterporträt.
    Er lachte laut über sein überdrehtes Wunschdenken. Wenn es so einfach wäre, gäbe es weniger Verbrechen auf der Welt. Nur mit konsequenter Arbeit und jeder Menge Geduld konnte er als Ermittler seinem Ziel näher kommen. Zwischendurch wäre eine Tasse Cappuccino nicht schlecht. Auf dem Weg zur Küche rieb Leon sich mit beiden Händen durch sein müdes Gesicht. Sein Soll für heute war noch nicht erfüllt, noch standen ihm einige von Joshs botanisch angehauchten Aufnahmen bevor. Eigentlich hatte er vorgehabt, die Bilder gemeinsam mit Zoe zu sichten. Bestimmt wäre sie an dieser Detektivarbeit interessiert gewesen, und vier Augen sahen mehr als zwei. Außerdem hätte er sie gern um sich gehabt.
    Um die Unmenge an Aufnahmen auf der CD zu sichten, brauchte er Zeit. Das schräge Grinsen seines Kollegen in Mainz hätte ihm Warnung genug sein müssen. Immerhin war sein Laptop mit speziellen Softwaremodulen ausgestattet, die recht zuverlässig funktionierten, wenn es darum ging, extreme Vergrößerungen lesbar zu machen. Notfalls konnte er gleich vor Ort beweiskräftiges Bildmaterial herstellen, sobald er über etwas Auffälliges stolperte. Bei seinem derzeitigen Konzentrationsmodus dürfte es sich eher um einen Zufall handeln, wenn er mehr entdeckte als eine Amsel in ihrem versteckten Nest. Vielleicht sollte er besser morgen weitermachen.
    Der Geruch von Kaffee mitten in der Nacht versprach nicht gerade einen Hochgenuss. Passte irgendwie nicht zusammen, wenn man eigentlich mit einem Glas Wein absacken und ins Bett wollte. Na ja, der Zweck heiligte die Mittel. Er nahm einen großen Schluck, setzte sich an den Tisch und öffnete den Laptop. Nach einer Weile klickte oder scrollte er im Wechsel gelangweilt durch die Fotos, von denen ihm eins wie das andere erschien. Seine Hand, auf die er sein Kinn stützte, war schon ganz taub, aber er war inzwischen zu träge, um sich zu bewegen. Wozu, um alles in der Welt, knipste dieser Bursche Hunderte Fotos von Blättern?

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