Die Totensammler
erschienen. Ein ausführlicher Bericht über drei Seiten, mit Fotos aus einer Videoaufnahme der Polizei. Das ganze Wochenende über hat er den Artikel immer und immer wieder gelesen, jedes Mal etwas betrunkener. Als er am Montag zur Arbeit ging, hatte er einen höllischen Kater, doch glücklicherweise fielen einige seiner Vorlesungen wegen der Hitzewelle aus. Eine seiner Studentinnen erinnerte ihn immer ein wenig an Natalie. Sie arbeitete in einem Café, das er manchmal besuchte. Er fuhr hin, um sie zu sehen, mehr nicht, um sie sich genau anzusehen und sich auszumalen, wie es wäre, ihr wehzutun, doch dann wurde sie auf dem Parkplatz von diesem alten Mann angegriffen. Zunächst lief er in ihre Richtung – natürlich nur um ihr zu helfen; nie würde er einer seiner Studentinnen etwas antun, weil die Polizei ihm dann vielleicht unangenehme Fragen stellen würde. Er eilte ihr also zu Hilfe, doch dann überlegte er es sich anders. Einfach so. Innerhalb einer Sekunde beschloss er, sie anzugreifen, statt ihr zu helfen, und das war ein Fehler. Er wusste es, aber er konnte nicht anders.
Er wollte sie wie Jane Tyrone sieben Tage bei sich behalten. Ihm gefiel die Symmetrie. Andere würden das als charakteristische Eigenart bezeichnen. Sie zu fotografieren, war allerdings dumm. Obwohl ihm das klar war, machte er die Aufnahmen. Wider jedes bessere Wissen. Wenn man nicht geschnappt werden will, muss man bestimmte Regeln befolgen. Und er hat dagegen verstoßen. Irgendwann wird jeder Mörder so überheblich, dass er glaubt, man könnte ihn nicht schnappen, und erhöht das Risiko. Aber er war überzeugt, absolut überzeugt, dass er nicht so blöd war. So blöd wie all diese eingebildeten Scheißkerle.
Glücklicherweise ist es absolut unwahrscheinlich, dass die Polizei die Fotos gefunden hat. Sie hat nicht mal einen Grund, danach zu suchen. Fürs Erste ist er nichts weiter als ein Opfer. Dass Emma Green eine Studentin von ihm ist, ist nicht gerade günstig für ihn, aber wenigstens gibt es keinerlei Verbindung zwischen ihm und der Bankkassiererin.
Mit seinen inzwischen völlig geschwärzten Fingerkuppen fährt er weiter über die Zeitung. Er blättert um und wirft einen Blick auf die zweite Seite. Von dort starrt ihn aus einem schwarz weißen, handtellergroßen Kästchen ein Bild von Schwester Pamela Deans an. Sie war alles andere als warmherzig, und er ist überzeugt, dass sie jedes Mal, wenn er mit ihr sprach, all ihre Kraft zusammennehmen musste, um freundlich zu sein. Allerdings war sie bei seinen Studien äußerst hilfreich und ungemein nützlich. Er hat sich immer vorgestellt, dass sie alleine in einem Haus mit klaren Linien und gestärkten Bettlaken wohnt, vielleicht mit ein paar Katzen, einem kleinen Fernseher und einem Radio, auf dem nur klassische Musik läuft. Jetzt ist sie tot, verbrannt, so wie sein Haus.
Verbrannt von Adrian, keine Frage.
Das ist schlimm. Wirklich schlimm. Wenn die Polizei den Zusammenhang zwischen den beiden Bränden erkennt, stellt sie dann auch die Verbindung zu Grover Hills her? Gestern wäre er froh gewesen, wenn die Polizei hier aufgekreuzt wäre, um ihn zu retten. Aber heute würden sie auf die Leiche des Mädchens stoßen, das ihm geholfen und das er zum Dank dafür getötet hat.
Das war wirklich dumm. Vor allem für einen Mann, der eine Menge über Mörder weiß, für einen Mann, der weiß, was ihre häufigsten Fehler sind. Warum kann er nicht nachdenken, bevor er handelt?
Er ist immer noch voller Blut. Seine Kleidung ist damit besudelt, und auf der anderen Seite der Tür liegt die Mordwaffe mit seinen Fingerabdrücken. Er fängt an, in der Zelle auf und ab zu gehen. Die Polizei wird die Verbindung herstellen. Irgendwann wird irgendjemand hier rausfahren, um sich umzusehen. Und dann werden sie die tote Frau finden und ihn mit ein paar unangenehmen Fragen konfrontieren. Er muss hier raus. Er muss Adrian töten. Und es so aussehen lassen, als hätte der die tote Frau umgebracht. Er muss seine Klamotten beseitigen. Wenn er es hier rausschafft, kann er sich umziehen und alles so drapieren, wie er will. Sollte die Polizei die Kamera oder die Fotos in seinem Büro tatsächlich nicht gefunden haben, hat sie keinen Grund, ihn wegen irgendetwas zu verdächtigen.
Er blättert zurück und mustert die Titelseite, wo er vorhin die Phantomzeichnung gesehen hat, als Adrian die Zeitung hochgehalten hat. Aus der Nähe betrachtet, sieht der Mann aus wie sein Schwager, obwohl das Adrian sein
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