Die Totensammler
gesehen.«
»Wundert mich nicht«, sage ich. Abgesehen von dem Kiffer, der gegenüber von Cooper Riley wohnt, hat das letzte Mal ungefähr 1950 jemand zugegeben, dass er Zeuge eines Verbrechens war.
»Wir gleichen die Fingerabdrücke ab und nehmen an der Katze eine Autopsie vor. Sie sollten das Loch wieder zuschütten und heute Nacht aufbleiben, falls er zurückkehrt«, sagt Brody.
Sie packen ihre Sachen zusammen. Daxter wird in einem robusten schwarzen Plastiksack verstaut. Und ich folge ihnen hinaus auf die Straße.
»Ich möchte ihn wiederhaben, wenn Sie mit ihm fertig sind«, sage ich und nicke Richtung Sack.
»Ich werd dafür sorgen«, sagt Brody.
Und ich sorge dafür, dass die Türen verschlossen sind. Dann hole ich erneut die Pistole hervor. Mein Knie tut wieder weh. Und ich habe das untrügliche Gefühl, das alles schon mal erlebt zu haben. Hoffentlich gibt es bei den Fingerabdrücken eine Übereinstimmung. Wenn es jemand aus Grover Hills war, dann wurde er dort eingewiesen, nachdem er eine Straftat begangen hat. Dann hätten wir innerhalb einer Stunde einen Namen. Und könnten Emma Green schon heute Abend befreien. Oder es sind Melissas Fingerabdrücke; die haben sie in den Akten, von den Gegenständen, die sie bei dem Mord an Detective Calhoun berührt hat. Bloß woher soll sie gewusst haben, dass ich an dem Fall arbeite? Das wusste nur Schroder. Nein, sie kann es nicht gewesen sein.
Ich hocke mich in den Schatten und arbeite mich durch einen weiteren Schwung von Coopers Manuskript. Ich habe so was Ähnliches schon mal gelesen, von Profilern aus Großbritannien oder den USA, und ich vermute, dass auch Cooper so etwas im Sinn hatte. Coopers Text liest sich wie ein Lehrbuch. Seine Worte sind frei von Gespür und Emotionen, im Gegen satz zu den anderen Büchern, die ich gelesen habe, deren Autoren aufrichtig angewidert und erschüttert waren von den Fällen, die sie schildern. Autoren, die wahrscheinlich in ihre Tastatur heulen, während sie jedes Opfer, das sie zu Gesicht bekommen haben, ausführlich beschreiben.
Einige der Namen aus dem Text kenne ich aus meiner Zeit bei der Polizei, eine der Personen habe ich sogar verhaftet, einen Mann namens Jesse Cartman, der seine Schwester vergewaltigt, getötet und dann Teile von ihr gegessen hat – allerdings nicht in dieser Reihenfolge. Cooper möchte die Denkweise eines Verbrechers erklären. Er versucht, einen Blick in seinen Kopf zu werfen. Das funktioniert bei Profilern, denn sie haben es mit Leuten zu tun, die im Wesentlichen bei klarem Verstand sind. Doch viele der Leute, die in Grover Hills und den anderen Einrichtungen, die Cooper besucht hat, eingesperrt waren, lebten in einer völligen Wahnwelt, sodass sich durch seine zusammengetragenen Fakten ein vollkommen verzerrtes Bild ergibt . Er erforscht nicht die Denkweise von Verbrechern, sondern eine Denkweise, bei der zwei und zwei neunzehn ergibt. Er hat Probleme, zwischen den verschiedenen Patienten einen Zusammenhang herzustellen. Einige haben eine schlimme Vorgeschichte, andere stammen aus einem behüteten Zuhause, und einige reimen sich einfach irgendwas zusammen. Er trifft eine Aussage, um sie im nächsten Kapitel zu widerlegen. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass das Buch lediglich als Manu skriptform existiert und nicht zum Verkauf im Buchladen steht. Oder er hat sein Vorhaben eingestellt. An der Version, die ich aus der Uni habe, wurde seit drei Jahren nicht mehr gearbeitet. Hat Cooper nach seiner Verletzung aufgehört zu schreiben?
Ich notiere jeden Namen, über den ich stolpere, denn jeder ist ein möglicher Verdächtiger. Ich liste sie nach den Anstalten auf, in denen sie untergebracht waren, und konzentriere mich dabei hauptsächlich auf Grover Hills. Schließlich habe ich eine Liste mit einundvierzig Namen. Es kann sein, dass eine dieser Personen Cooper Riley entführt und Pamela Deans getötet hat, aber es kann genauso gut sein, dass es keine von ihnen war. Vielleicht haben die beiden Sachen gar nichts miteinander zu tun, oder es gibt einen Zusammenhang, den wir jetzt noch nicht erkennen können.
Einundvierzig Namen. Ich gehe ins Internet und gebe sie auf einer Zeitungs-Site in eine Suchmaschine ein. Sechs der Personen kann ich wegen Selbstmords ausschließen. Sechs wei tere sitzen momentan im Gefängnis wegen Straftaten, die von Einbruch bis Vergewaltigung reichen, einer, weil er wiederholt mitten in einem Einkaufszentrum seine Notdurft verrichtet hat, und einer für den
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