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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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drehe mich zu ihm um. »Ist sie Ihr Alibi?«
    »Warum fragen Sie mich?«, sagt er. »Lassen Sie sich von ihr erzählen, dass wir hier waren.«
    Erneut schaue ich auf Melina hinunter, doch sie starrt unverwandt auf den Fernseher, würdigt mich mit ihren glasierten Plastikaugen keines Blickes. Ihr ganzer Körper besteht aus Gummi und Plastik und dürfte um die fünfzig, sechzig Kilo wiegen. Unter den Companion Dolls ist sie bestimmt ein Spitzenmodell. Und damit wohl ziemlich pflegeintensiv.
    »Sehen Sie?«, sagt Ritchie.
    »Was?«
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich gestern den ganzen Tag hier war«, erklärt er. »Ich weiß«, sagt er dann an Melina gerichtet. »Tut mir leid, aber ich kann nichts dafür. Er ist einfach hier aufgekreuzt. Und er hat Geld.«
    Er wendet sich wieder an mich. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass sie keine Fremden mag. Sie haben bekommen, was sie wollten, und die Lady möchte, dass sie jetzt gehen.« Wieder schaut er zu ihr hinunter. »Ich weiß, Liebling. Ich weiß.«
    Er bringt mich zur Tür, und ich folge ihm bereitwillig. »Tut mir leid«, sagt er mit einem verschwörerischen Flüstern.
    »Es ist schwer, die ideale Frau zu finden«, sage ich. »Für tausend Dollar können Sie ihr ein paar hübsche Klamotten kaufen.«
    »Das könnte ich bestimmt.«
    »Aber dafür müssen Sie mir noch ein bisschen mehr erzählen.«
    »Was zum Beispiel?«
    »Erzählen Sie mir vom Schreizimmer.«
    »Woher wissen Sie davon?«
    »Von einem anderen Patienten. Hat man Sie auch mal da unten eingesperrt?«
    »Mich? Nein, kein einziges Mal. Aber ich habe auch nie … also, nie jemandem was zuleide getan. Das Zimmer war für die bösen Patienten bestimmt, und ich war nie böse. Das Geld?«
    »Noch nicht. Was ist mit den Zwillingen?«
    Er senkt den Blick. »Warum müssen Sie die erwähnen?«, flüstert er. »Ich bin inzwischen ein besserer Mensch. Mit denen möchte ich nichts mehr zu tun haben.« Er schnieft laut und fängt an zu weinen.
    »Tut mir leid, ehrlich«, sage ich, und das stimmt. »Hören Sie, hatte einer Ihrer Freunde aus Grover Hills die Angewohnheit, Katzen zu töten und wieder auszugraben?«
    »Wir müssen jetzt Schluss machen«, sagt er und schließt langsam die Tür. »Sie können das Geld behalten.«
    Ich halte die Tür fest. »Ritchie …«
    »Aber Melina …«
    »Melina kann warten. Nennen Sie mir einen Namen, Ritchie.«
    »Ich kann nicht. Er ist mein Freund. Mein bester Freund.«
    »Wer?«
    »Niemand.«
    »Er hat meine Katze getötet«, sage ich. »Und er hat Schwester Deans getötet.«
    »Sie war eine strenge Frau«, sagt er.
    »Wie ist sein Name?«
    »Ich kann nicht«, sagt er.
    Noch einmal wedele ich mit dem Geld. »Sie können Melina davon was Schönes kaufen«, sage ich. »Ist Ihnen Freundschaft wirklich wichtiger als Liebe? Ist das so? Schützen Sie lieber einen Mörder, statt Ihrer Freundin etwas zu schenken? Sie hat es doch verdient.«
    Er schaut zu Boden und fängt an, wie ein Goldfisch seine Lippen zu öffnen und wieder zu schließen.
    »Ritchie …«
    »Er heißt Adrian Loaner, aber er wohnt nicht mehr hier. Nachdem ich ihm das Autofahren beigebracht habe, ist er ausgezogen. Er war noch jung, als er nach Grover Hills kam, sehr jung, und er war dort etwa fünfundzwanzig Jahre.«
    »Wann ist er hier ausgezogen?«
    »Vor einer Woche. Mehr weiß ich auch nicht«, sagt er, und als er den Kopf hebt, laufen ihm Tränen übers Gesicht.
    »Es war richtig, was Sie getan haben«, sage ich zu ihm.
    »Melina … sie ist keine, sie ist keine … also … und ich weiß es, aber … aber es ist besser, als alleine zu sein.«
    »Es ist schwer, alleine zu sein«, sage ich.
    »Das mit Ihrer Katze tut mir leid«, sagt er.
    »Mir auch.«
    »Bitte, töten Sie ihn nicht.«
    Ich zeige ihm das Phantombild aus der Zeitung. »Ist das Adrian?«
    Er betrachtet die Zeichnung, dann neigt er den Kopf erst zur einen, dann zur anderen Seite. »Irgendwie schon«, sagt er. »Schon möglich.«
    »Welches war sein Schlafzimmer?«
    »Direkt gegenüber«, sagt er und deutet auf die andere Seite des Flurs. »Es ist leer. Er ist zwar mein bester Freund, aber ich habe keine Ahnung, wo er steckt.«
    Ich gebe ihm das Geld und betrete das gegenüberliegende Schlafzimmer. Die Vorhänge sind zurückgezogen, und die Sonne scheint auf die mit einer dicken Staubschicht überzogenen Holzdielen. Im Zimmer steht ein Bett ohne Laken, Decke und Kissen. Die Schubladen wurden herausgezogen und sind leer. Es liegt keinerlei Krimskrams herum.

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