Die Totensammler
Dann wieder bloß zweimal pro Jahr. In einem Jahr haben sie ihn nur an seinem Geburtstag da runtergebracht.
Siebenundachtzig Mal. Es gefällt ihm nicht, dass es eine ungerade Zahl ist. Doch was ihm am meisten Angst einjagte: dass es so unregelmäßig passierte. Nie war man sicher. Jederzeit konnten sie auftauchen und einen holen.
Aber am Schluss hat er sie geholt.
Erst den einen, dann den anderen. Er hat an ihre Tür geklopft und direkt beim Öffnen mit dem Hammer zugeschlagen. Hat sich gewaltsam Zutritt verschafft, auch wenn das kaum noch nötig war. Nachdem er einen der Zwillinge erledigt hatte, lauerte er im Wohnzimmer dem anderen auf. Er hat ihnen mit dem Hammer den Schädel zertrümmert. Kein Diskussionsbedarf. Es war ihm egal, was sie zu sagen hatten, sie hatten ihn ja auch jahrelang aufgefordert, die Klappe zu halten. Die Zwillinge waren beide unverheiratet und lebten, inmitten einer netten Nachbarschaft, in einem Haus mit drei Zimmern und einer Garage, die sich auf Knopfdruck automatisch öffnete – so was hatte er noch nie zuvor gesehen. Nichts deutete darauf hin, wie brutal und gemein sie waren. Dass ihnen The Grove fehlte und sie sich deswegen ihr eigenes Schreizimmer gebaut hatten. Nein, alles, was darauf hindeu tete, blieb in ihrem Bauernhaus, das ungefähr eine Stunde außerhalb der Stadt lag. Bevor er die Idee hatte, nach The Grove zurückzukehren, war er ihnen gefolgt und hatte es aus der Ferne gesehen.
Im Gegensatz zu der Anstalt handelt es sich um ein frei stehendes Haus. Zwischen den von Drahtzäunen gesäumten Weiden liegen jede Menge Grundstücke mit niedrigen Holztoren. Die Gegend dort ist von den unterschiedlichsten Sorten Gras und Unkraut überwuchert, keine Tiere weit und breit, nur unzählige Insekten, die nachts ordentlich Lärm machen. Er fragt sich, was hier früher mal angebaut und gezüchtet wurde, ob es hier Kühe, Schafe und Hühner gab. Er stellt sich vor, er wäre in so einem Haus aufgewachsen und hätte in einer der nahegelegenen Ortschaften eine der kleinen Schulen besucht, zu denen die Farmerskinder fünf Tage in der Woche mit dem Bus hingekarrt werden. Und er stellt sich vor, wie er im Winter vorm Kamin hockt, im Sommer durch die Wiesen reitet und unter einem Baum liegend frisches Obst isst. Wenn die Fahndung nach Cooper beendet ist, sollte er sich vielleicht ein Pferd anschaffen und ein paar Apfel- und Orangenbäume pflanzen, oder was man noch so züchten kann.
Rückblickend wäre es besser gewesen, Cooper gleich hierherzubringen. Außer den Zwillingen hat sonst keiner einen Grund herzukommen, und die tauchen nicht mehr auf. Unter dem langen Gras dort draußen befinden sich bestimmt weitere Gräber. Von Opfern aus dem Schreizimmer im Innern des Hauses, einem schalldichten Raum mit gepolsterten Wänden, in dem man sich die Seele aus dem Leib schreien kann, ohne dass es jemand hört. Rückblickend wäre es auch besser gewesen, die Zwillinge in das Schreizimmer von The Grove zu sperren und sie dort alleine zu lassen. Der Hunger hätte das Übrige getan. Adrian hätte sie schreien lassen sollen, bis sie heiser waren. Niemand hätte sie gehört. Und schließlich hätte der eine den anderen verspeist, um länger am Leben zu bleiben. Er wünschte, das wäre ihm damals eingefallen. Sie haben Glück gehabt, dass er sie bloß mit dem Hammer erschlagen hat. Aufgrund dessen, was sie ihm und den anderen angetan und was sie hier draußen im Schreizimmer getrieben haben, hätten sie eine viel schlimmere Strafe verdient.
Der Schlüssel zum Bauernhaus hängt jetzt am Schlüsselbund des gestohlenen Wagens. Er schaut nach Coopers Mutter und legt sie in der Auffahrt ab, dann wuchtet er das Mädchen heraus. Er muss es über den Boden schleifen, sein Bein schmerzt zu sehr, um sie zu tragen. Sie ist immer noch bewusstlos und macht keinen glücklichen Eindruck; die erste Fahrt, eingezwängt neben dem toten Mädchen, das er ausgegraben hat, war wohl kein Vergnügen. Er bringt sie über die Veranda ins Haus und legt sie in die Diele. Dann nimmt er ein Glas Wasser, geht zurück und hält es ihr an die Lippen, doch es läuft ihr übers Gesicht und sickert in den Teppich. In diesem Zustand kann Cooper nichts mit ihr anfangen, und was wäre Adrian für ein Gastgeber, wenn er sie ihm so vorsetzen würde? Sie stöhnt leise auf, und er weiß nicht, ob sie noch bewusstlos ist oder schon halb wach. Er schleift sie in eines der Badezimmer, wo es um einiges kälter ist. Dort füllt er eine der Wannen mit
Weitere Kostenlose Bücher