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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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Straßen rund um die Innenstadt zu heizen. Um ihren Freunden und Rivalen zu beweisen, dass in ihnen ein Vulkan aus Testosteron schlummert, der nur darauf wartet zu explodieren, und um der Stadt und der Regierung zu beweisen, wie egal ihnen das Verbot ist, mit aufgemotzten Karren herumzukurven. Allerdings sind Jugendliche mit so einer Arschloch-Attitüde nichts weiter als Schafe, die sich nach Anerkennung sehnen. Aus dem Polizeifunk im Wagen des Detectives erfahre ich, dass schätzungsweise tausendfünfhundert Raser unterwegs sind. An der Unterseite einiger Autos sind Neonlichter befestigt, außerdem sind sie grell lackiert, rundherum verchromt und haben riesige Schalldämpfer. Sie verstopfen die Kreuzungen, aber momentan ist die Polizei anderweitig beschäftigt. Die Insassen im Wagen vor mir drehen sich um und zeigen mir den Stinkefinger. Ich starre sie an und denke an den Mann, der meine Tochter umgebracht hat; in dem Wald ist noch reichlich Platz für weitere Gräber. Der Verkehr schiebt sich an einem lichterloh brennenden Wagen vorbei. Vier Blocks entfernt kann ich die Lichter der Löschfahrzeuge sehen, die kein Stück weiterkommen. Eine Minute später schaffe ich es, nach links in eine Seitenstraße zu biegen, und lasse das alles hinter mir.
    Ich fahre nach Brighton raus, wo die Häuser etwas heruntergekommener sind und wo weniger Leute leben. Es könnte nicht schaden, wenn eine große Flutwelle diesen Teil der Außenbezirke in der Nähe des Strandes einfach säubern würde. Vor einem verwahrlosten Haus, das nicht mehr als zwei Zimmer haben kann, komme ich zum Stehen. Sollte der Vermieter pro Woche mehr als einen zweistelligen Betrag dafür verlangen, ist er ein Abzocker. Im Innern brennt Licht. Das heißt, dass ich niemanden aufwecke, doch als ich klopfe, wird nicht geöffnet. Ich klopfe erneut und warte eine Minute, bevor ich ums Haus laufe und einen Blick durch die Fenster werfe.
    Jesse Cartman hockt im Wohnzimmer und starrt auf den ausgeschalteten Fernseher. Abgesehen von einem Fotoalbum auf seinem Schoß und zwei Cocktailschirmchen auf seinem Bauch ist er vollkommen nackt. Seine reglosen Augen sind weit geöffnet. Als ich ans Fenster klopfe, schaut er zu mir herüber. Langsam steht er auf, und das Album rutscht von seinem Schoß und fällt zu Boden. Er tritt ans Fenster und presst seinen Körper dagegen. Die Cocktailschirmchen kleben in seiner Bauchbehaarung fest.
    »Detective«, sagt er wie in Zeitlupe.
    »Ich muss mit Ihnen reden«, sage ich.
    »Detective«, wiederholt er genauso schwerfällig.
    Ich gehe zum Hintereingang. Er ist verschlossen, doch meinem Fußtritt hat er nicht allzu viel entgegenzusetzen. Ich schätze, der Vermieter wird den kaputten Türrahmen nicht bemerken, ebenso wenig wie er mitgekriegt hat, dass das Ge bäude kurz davor ist, in sich zusammenzufallen. Im Haus stinkt es nach Katzenpisse, allerdings kann ich keine Tiere entdecken. Cartman steht immer noch vorm Wohnzimmerfenster und starrt auf den überwucherten Garten hinaus.
    »Hey, Jesse«, sage ich, doch er dreht sich nicht um. »Haben Sie vergessen, Ihre Medikamente zu nehmen?«
    »Meine Medikamente«, sagt er und glotzt unverwandt nach draußen.
    »Wo sind sie?«
    Er antwortet nicht. Das Haus ist so klein, dass ich nur etwa vier Sekunden brauche, bis ich das Badezimmer gefunden habe. In den Fugen des Fliesenbodens hat sich Schimmel breitgemacht. Der Spiegel zeigt Sprünge und Löcher. Ich öffne den Arzneischrank und finde dort ein paar Fläschchen mit Pillen. Ich lese die Etiketten, doch sie sagen mir nichts.
    Als ich wieder ins Wohnzimmer trete, steht Jesse immer noch am Fenster. So nah davor, dass man sein Spiegelbild nicht sehen kann. »Sie sollten ein paar von denen hier nehmen«, sage ich.
    »Ich hab Hunger.«
    »Na los, Jesse, dann geht’s Ihnen besser.«
    »Ich will einfach nur vergessen.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Jesse.«
    Er antwortet nicht. Ich gehe zu ihm und lege ihm meine Hand auf die Schulter. Im nächsten Moment drischt er seinen Kopf gegen das Fenster. Es bleibt ganz, und er prallt davon zurück. Dies ist nicht derselbe Mann, mit dem ich im botanischen Garten gesprochen habe. Jener Mann wollte seine Medikamente nehmen, um gesund zu werden. Jener Mann konnte sich an die Vorfälle von damals erinnern, dieser kann es nicht. Ich bringe ihn zu seinem Stuhl zurück, und wider Erwarten sträubt er sich nicht.
    »Jesse, es ist sehr wichtig, dass Sie mir jetzt zuhören.«
    »Ich hab Hunger«, sagt er. Dass sich auf

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