Die Totensammler
Leuchtschrift Freie Zimmer lediglich zwei Buchstaben kaputt sind, kann es nicht so übel sein. Der Angestellte hinter dem Tresen ist eingeschlafen, doch im Handumdrehen nimmt er Haltung an. Er akzeptiert meine Kreditkarte, und fünf Minuten später bin ich in einem Zimmer, das nach Möbelpolitur riecht. Per Fernabfrage checke ich die Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter, insgesamt vier. Eine von meinen Eltern, die anderen drei von Donovan Green. Er habe die ganze Nacht versucht, mich zu erreichen, doch das Handy, das er mir gegeben hat, sei ausgeschaltet gewesen. Ich schätze, dass Schroder jetzt schläft, und um ihn nicht mit einem Klingeln auf seinem Handy zu wecken, rufe ich im Revier an und hinterlasse eine Nachricht für ihn. Ich nenne ihm die Adresse der Hunters und gebe ihm eine kurze Zusammenfassung davon, was er dort finden wird. Außerdem bitte ich ihn, jemanden zu Jesse Cartman zu schicken. Donovan Green rufe ich nicht an.
Ich stelle meinen Wecker auf acht Uhr; das ist in gut einer Stunde. Meine Klamotten behalte ich an. Nur meine Schuhe ziehe ich aus, und während ich daliege und an die Decke starre, frage ich mich, was Emma Green jetzt wohl gerade tut.
Kapitel 52
Er würde gerne noch mal einen Sonnenaufgang erleben. Hoffentlich hat er das nächste Mal nicht so starke Schmerzen dabei. Er ist währenddessen kurz eingenickt, und hat davor lange geschlafen. Die vergangenen Stunden verlieren sich in einem Nebel aus Träumen. Adrian hat darin seine beiden Mütter gesehen, und sogar seinen Vater, bevor der aus seinem Leben verschwand, als Adrian noch zur Grundschule ging. Er hat seine Familie im Stich gelassen, wie Männer das hin und wieder tun, wenn sich ihnen ein angenehmeres Leben mit ihrer Sekretärin bietet.
Den schönen Teil des Sonnenaufgangs hat er beobachtet. Der Himmel wurde heller, und für einen Moment schien es, als wollte die Sonne nicht aufgehen, als würde sie von etwas zurückgehalten, als wollte irgendein Wesen, dass dieser Tag in Dunkelheit beginnt. Dann blitzte am Horizont ihr äußerer Rand auf, und sie stieg aus den endlosen Feldern empor, ergoss ihr goldenes, warmes Licht in den Morgen, während die Welt langsam zu neuem Leben erwachte. Kurz darauf erschien sie in seinem Blickfeld, und die Kraft, die sie eben noch zurückgehalten hatte, schob sie jetzt vorwärts, sie wanderte weiter hinauf, und die Bäume warfen lange Schatten. Danach döste er ein wenig vor sich hin. Sein juckendes Bein verhinderte, dass er ganz einschlief.
Die Sonne steht jetzt hoch am Himmel, und die Schatten sind ein wenig kürzer geworden. Er geht wieder ins Haus. Sein Bein tut beim Laufen immer noch weh, aber die Schmerzen haben nachgelassen, seit er es mit der Creme eingerieben hat. Der Verbandsmull, den er dagegengepresst hat, klebt an der Wunde, und als er daran zieht, ertönt ein reißendes Geräusch. Es tut irre weh, also hört er auf. Trotzdem muss er den Mull irgendwie entfernen und die Wunde neu verbinden, damit sie heilt. Er will sein Bein nicht verlieren. Erneut durchwühlt er den Arzneischrank, in der Hoffnung, dass er bei Tageslicht et was findet, das er in der Dunkelheit übersehen hat, doch nichts. Bei vielen Medikamenten weiß er nicht mal, wofür sie über haupt sind. Auf einem der Regale liegt ein Gebiss, dessen Zahn fleisch mit Schimmel und Fusseln überzogen ist, ziemlich unheimlich. Er muss heute irgendwann wohl in die Stadt fahren, um ein paar Vorräte zu kaufen. Im Kühlschrank sind zwar einige wenige Lebensmittel von seiner Mutter und von den Zwillingen, aber sie reichen nicht, damit sie alle in den nächs ten Tagen was zu essen haben. Trotzdem, es ist toll, einen Kühl schrank mit Strom zu haben. So langsam wird ihm eines klar: Er kann nicht zu viele Teile der Sammlung gleichzeitig bei sich haben. Er muss sich heute auch noch um Coopers Mutter und das Mädchen kümmern. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, dass es ihm nicht gelungen ist, Theodore Tate zu entführen.
Er zieht sich eine kurze Hose und ein T-Shirt an und trottet barfuß in die Küche. Im Kühlschrank sind ein Orangensaft, den er aus dem Haus der Zwillinge mitgenommen hat, dazu f rische Eier aus dem Haus seiner Mutter und eines, das nicht mehr ganz so frisch ist. Ein paar Lebensmittel waren schon hier, hauptsächlich Junkfood wie Chips und verschiedene Sprudelsorten, die er als Kind nie trinken durfte und auf die er jetzt auch keine Lust hat. Er gießt sich von dem Orangensaft ein und schiebt zwei Scheiben Brot in
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