Die Totensammler
aber jetzt sind sie alle fort.«
»Ach komm, das kann nicht sein«, sagt Cooper. »Ein Bursche wie du, der muss doch viele Freunde haben.«
»Machst du dich über mich lustig?«, fragt er und hebt den Kopf.
»Überhaupt nicht.«
»Du kannst dich ruhig als was Besonderes fühlen«, sagt Adrian. »Ich meine, du bist momentan eine der herausragenden Persönlichkeiten dieser Stadt. Du bist ein Serienmörder – wenn das nichts Besonderes ist, weiß ich auch nicht.«
»Warum hältst du mich für einen Serienmörder? Wie kommst du darauf?«
»Du hast zum Beispiel dieses Glas mit dem Daumen. Serienkiller behalten so was von ihren Opfern.«
Cooper lächelt. »Du glaubst, ich hätte den Daumen jemandem abgeschnitten, den ich getötet habe?«
Adrian ist froh über das Lächeln und erwidert es. »Das hast du doch, oder?«
Cooper nickt und lächelt immer noch. »Okay. Schluss mit den Lügen. Du hast mich erwischt. Ich habe ihn einem meiner Opfer abgeschnitten.«
»Und warum hast du mich vorhin gefragt, ob ich ihn dir verkauft habe?«
»Weiß nicht. Als ich wieder zu mir kam, war ich noch ganz benommen und durcheinander. Hast du einen Elektroschocker auf mich abgefeuert?«
»Ja.«
»Und dann hast du was auf mein Gesicht gedrückt. Was war das?«
Adrian hat keine Ahnung. Irgendein Zeug, das er letzte Woche zusammen mit dem Elektroschocker besorgt hat. Er zuckt mit den Schultern. »Man wird davon bewusstlos«, sagt er. »Wem hast du den Finger abgeschnitten?«
»Einem Mann, den ich umgebracht habe.«
»Du tötest auch Männer? Ich dachte, du tötest nur Frauen.«
»Beides«, sagt Cooper.
»Und warum hast du ihn getötet?«
»Weil ich es wollte. Wie hast du überhaupt rausgefunden, dass ich ein Serienmörder bin, Adrian? Erzähl’s mir. Die Polizei weiß nichts davon, du bist also schlauer als die Polizei.«
Adrian lächelt. Es ist lange her, dass er etwas emotionale Wärme in sich gespürt hat, und es ist ein schönes Gefühl. Genau darum wollte er Cooper so dringend haben. Sie werden noch die dicksten Freunde. Cooper kann ihm erzählen, wie es ist, ein Serienmörder zu sein, und von all den anderen Mördern, die er kannte. Er ist froh, dass er vorhin die Kassette zurückgespult hat und ihr erstes Gespräch jetzt überspielt. Hoffentlich kann man auch alles verstehen – sein Hemd bedeckt den Recorder, sodass Cooper es nicht sehen kann.
»Ich habe angefangen, dich zu beobachten, weil mir wieder eingefallen ist, dass du an einem Buch schreibst«, sagt er. »Du bist vor Jahren hierhergekommen und hast uns Fragen gestellt, mir allerdings nicht.«
»Hier? Wo ist hier? Eine der leer stehenden Anstalten?«
»Grover Hills«, sagt Adrian, »aber sie steht nicht leer, wir sind ja hier. Und das hier ist keine Anstalt, sondern mein Zuhause. Du hast ein Buch über uns geschrieben. Ich hab danach gesucht, konnte aber kein Exemplar auftreiben.«
»Es ist noch nicht fertig«, sagt Cooper.
»Ich würd’s gerne lesen.«
»Sicher, ich auch. Würde mich interessieren, was du davon hältst. Aber wie soll ich dir ein Exemplar davon geben, Adrian? Es ist auf meinem Computer. Wir können zu mir fahren, und ich kann es dir zeigen.«
»Vielleicht«, sagt Adrian, denn ihm ist klar, dass Cooper versucht, ihn reinzulegen. »Aber nicht heute. Du hast mich damals nie befragt. Erinnerst du dich überhaupt an mich?«
»Nein, tut mir leid.«
»Du hast nur mit den Mördern gesprochen, darum«, sagt Adrian. »Sie waren meine Freunde.«
»Und jetzt sind sie alle fort«, sagt Cooper.
»Ja, aber ich bin zurück, und auch wenn ich sie nicht haben kann, hab ich wenigstens dich, du hast sie alle gekannt. Du kannst mir ihre Geschichten erzählen, außerdem bist du ein Mörder wie sie.«
»Jeden Tag verschwinden Leute, allerdings nicht auf diese Weise«, sagt Cooper und lässt seinen Blick durch die Zelle wandern. »Was du getan hast, ist schlicht und einfach … genial.«
»Oh«, sagt er, und dann versteht er. »Oh! Klasse.« Er merkt, dass er rot wird.
»Weißt du, Adrian, du scheinst ein echt cooler Typ zu sein. Ich wünschte, du hättest erst mit mir geredet, bevor du mich hergebracht hast. Ich bin mir sicher, dass uns was Besseres eingefallen wäre. Etwas … Angenehmeres.«
Adrian würde ihm gerne glauben, doch er glaubt nicht, dass er das kann. Noch nicht. »Darf ich dir eine Frage stellen?«, sagt er.
»Sicher, nur zu, Adrian. Frag, was du willst, und vielleicht darf ich dich dann auch was fragen. Ist das okay? Mich interessiert
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