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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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das Obergeschoss es unter sich begräbt. Die Styroporwände zerfließen, und das lodernde Holzgerüst knistert. Es ist nur noch eine Frage von Sekunden, bis das Schlafzimmer dem Inferno zum Opfer fällt.
    Ich schlage mit dem Montiereisen das Fenster ein und lasse einen Teil meines Frustes am Glas aus, wütend darüber, dass Emma unten im Erdgeschoss womöglich gerade verbrennt. Je schneller ich nach draußen komme, desto eher kann ich mich ins Erdgeschoss vorarbeiten und nach ihr suchen. Die meisten Scherben prasseln draußen zu Boden, doch ein paar fliegen in meine Richtung, als ich mit dem Montiereisen daran hängen bleibe. Sie schlitzen mir die Hand auf, dringen tief in sie ein. Ich lasse das Eisen fallen, zerre die Matratze vom Bett und wuchte sie übers Fensterbrett nach draußen. Splitter, scharf wie Haizähne, verbeißen sich darin und halten sie zurück. Trotzdem gelingt es mir, sie so weit nach vorne zu schieben, dass ich sie der Schwerkraft überlassen kann. Sie verschwindet im Rauch, und als sie unten aufschlägt, kann ich kaum noch ihre Umrisse erkennen. Der Versuch, auf die Matratze zu springen, hat etwas Comicartiges, doch mir bleibt nichts anderes übrig. Das Fenster im Schlafzimmer unten zerspringt, Flammen schießen heraus, und ein Hitzeschwall wischt über mein Gesicht. Ich muss durch die Flammen, mir bleibt keine andere Wahl. Auf der anderen Straßenseite haben sich mehrere Personen versammelt. Sie stehen dort und starren mich an, ohne zu wissen, was sie tun sollen. Einige halten sich die Hand vor den Mund, andere deuten in meine Richtung, wieder andere telefonieren mit dem Handy und einige machen mit ihren Handys Fotos oder Filmaufnahmen von mir. Und einige sind wahrscheinlich einfach nur genervt, weil ich ihr Viertel abwerte, indem ich bei lebendigem Leib verbrenne. Keiner von ihnen kommt näher oder ruft mir zu, dass ich es bestimmt schaffen werde. Ich werfe eine Decke über den Fensterrahmen mit den restlichen Splittern. Die Schlafzimmertür steht jetzt in Flammen. Durch den Türspalt wird der Rauch zum kaputten Fenster gesogen. Ich wickle mich in eine weitere Decke und schütze so viele Körperteile wie möglich, halte sie mir vors Gesicht und klemme sie mir zwischen die Zähne. Um den Aufprall zu dämpfen, lasse ich mich so weit es geht vom Fensterrahmen herunter und spüre, wie die Flammen an meinen Füßen lecken. Dann lasse ich auf gut Glück los. Das Haus rauscht an mir vorbei. Mit angewinkelten Knien stürze ich durch die Flammen und lande mit Füßen und Hintern gleichzeitig auf der Matratze. Mein linkes Knie gibt ein Knacken von sich. Ich rolle mich auf den Rücken, fort vom Feuer, und verliere dabei die Decke. Die Enden meiner Hosenbeine glimmen. Ich schlage mit den Händen auf die Flammen ein, um sie zu ersticken; dabei muss ich mich weit über mein inzwischen angeschwollenes Knie nach vorne beugen. Ich krabble immer noch vom Haus fort, als neben mir zwei Männer auftauchen. Sie greifen mir unter die Arme und zerren mich fort, während sie mich fragen, ob sonst noch jemand im Gebäude ist.
    In einiger Entfernung halten wir an, drehen uns um, und ich betrachte das Haus. Aus allen Fenstern schlagen Flammen und hüllen die Fassade ein. Atemlos erkläre ich, dass ich nicht weiß, ob noch jemand im Haus ist, aber es könnte sein – Cooper Riley befindet sich vielleicht dort irgendwo inmitten der Flammen, und Emma Green. Doch diese Männer kann ich da nicht reinschicken.
    »Lassen Sie mich gehen«, sage ich und versuche, sie abzuschütteln.
    »Sie können nicht noch mal rein, Kollege«, sagt einer von ihnen.
    »Ich muss. Da ist vielleicht ein Mädchen drin.«
    »Nicht mehr«, sagt der andere. »Zumindest keins, das noch lebt.«
    »Lassen Sie mich gehen«, sage ich erneut, doch sie lassen mich nicht, sondern zerren mich weiter vom Feuer fort. Ich protestiere zwar, leiste aber keinen Widerstand, denn sie haben ja recht. Selbst wenn sie mich reinlassen würden, wüsste ich nicht, ob ich es wirklich versuchen würde. Jetzt nicht mehr. Sollte Emma Green noch dort sein, ist es zu spät für sie. Niemand schafft es da rein und lebend wieder raus.
    Wir sehen dabei zu, wie das Haus seinen Kampf verliert. Rauchwolken erfüllen die Luft und breiten sich bis zum Auto und zum Garten aus, und wir weichen vor der Hitze zurück.
    Kapitel 18
    Adrian fährt zwei Blocks weiter, parkt den Wagen, schließt die Tür ab und schlendert dann langsam zum Feuer zurück. Die Leute starren gebannt auf das Spektakel.

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