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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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Und es werden immer mehr, in der Menge wird er gar nicht auffallen. Er hätte weiterfahren sollen, doch Feuer übt eine magische Anzie hungskraft auf ihn aus. Als Kind, bevor aus ihm der Urinator wurde, hat er es geliebt, Dinge in Brand zu stecken. Nichts Außergewöhnliches. Nur kleine, kontrollierte Feuer, meist in Mülleimern am Straßenrand. Manchmal hat er auch ein Streichholz in einen Altpapierbehälter mit einem Stapel Pap pe oder Zeitungen geschnippt. Insgesamt waren es weniger als zehn Feuer. Seine Sucht fand ein jähes Ende, als einer der Nachbarn seiner Mutter erzählte, dass er ihren Sohn dabei beobachtet habe, wie dieser versucht hatte, einen Briefkasten abzufackeln. Nachdem Adrian zusammengeschlagen wurde, hat er nur noch zweimal etwas in Brand gesteckt. Gestern seine Mutter und heute das Haus. Beides große Feuer, deren Faszination man sich einfach nicht entziehen kann. Der Anblick seiner brennenden Mutter war um einiges besser als der eines glimmenden Briefkastens, und der Anblick von Coopers bren nendem Haus ist sogar noch besser. Riesige orangefarbene, gel be Flammen züngeln am Haus empor, und der Rauch wabert weit hinauf in den Himmel – die rohe Gewalt eines kontrollierten Infernos. Es ist wunderschön.
    Es sind fast zwanzig Schaulustige. Er hat keine Ahnung, woher sie gekommen sind. Es sind überwiegend Frauen, einige von ihnen bestimmt Hausfrau und Mutter. Es sind keine Kinder zu sehen, was gut ist, denn er mag keine Kinder. Offensichtlich sind die meisten Leute über vierzig, zumindest glaubt er das, denn junge Leute können es sich nicht leisten, in dieser Gegend zu wohnen. Er wundert sich, dass sie freiwillig in der Sonne stehen, erst recht, wo ihnen von den Flammen, die die Luft aufheizen, noch wärmer wird. Längs der Straße parken mehrere Autos, und es werden immer mehr. Der Lack an der Seite des Jetboots neben Coopers Haus wirft inzwischen Blasen, und die Reifen des Anhängers sind völlig platt. Noch immer sind keine Polizeiautos oder Löschfahrzeuge in Sicht, aber in der Ferne kann Adrian jetzt die Sirenen hören. Er mischt sich unter die Menschenmenge, ohne zu fragen, was passiert ist. Im Vorgarten von Coopers Haus befinden sich drei Männer, hinter ihnen liegt eine Matratze mit Decke. Die Matratze war vorhin noch nicht da, offensichtlich wurde sie aus dem Schlafzimmer im ersten Stock geworfen. Zwei der Männer helfen dem dritten. Er humpelt. Seine Kleidung ist verkohlt, und er hat Blut an den Händen. War dieser Mann im Haus? Und wer ist das? Ein Nachbar? Ein Cop?
    Ja. Ein Cop. Das kommt hin. Aber warum ist er hier? Sucht er nach Cooper, weil er vermisst wird? Oder weil er sechs Menschen getötet hat? Er hat den Mann schon mal irgendwo gesehen – er kennt ihn, er kennt ihn –, kann ihn aber nicht einordnen.
    In diesem Moment trifft das erste Feuerwehrauto ein, es ist knallrot und verchromt. Groß gewachsene Männer in verrußten gelben Uniformen springen vom Fahrzeug, trotz ihrer Größe bewegen sie sich schnell. Sie schließen dicke Schläuche an und gehen in Position. Zwar sind sie noch rechtzeitig eingetroffen, um das Feuer zu bekämpfen, doch retten können sie nichts mehr. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen stürzt das Haus in sich zusammen, Funken gehen auf den Garten nieder, und die vertrockneten Sträucher und Pflanzen fangen Feuer. Coopers Wagen steht ebenfalls in Flammen. Ein weiteres Lösch fahrzeug trifft ein. Noch mehr gelbe Uniformen. Dann fahren zwei Streifenwagen vor, und ein paar Blocks entfernt kann Adrian die Sirene eines anderen hören. Die Menschenmenge wird immer größer. Es müssen mindestens vierzig Leute sein. Weitere Feuerwehrleute schieben sich die Straße hinunter. Vergeblich versuchen die Polizeibeamten, die Schaulustigen zurückzudrängen. Das Feuer wird immer lauter. Und die Flammen werden immer größer und hübscher. Adrians Blick wandert zwischen den Flammen und dem Mann hin und her. Er denkt angestrengt nach, versucht sich zu erinnern, woher er ihn kennt.
    Die Feuerwehrschläuche blähen und straffen sich, als das einschießende Wasser sie vorwärtsschiebt und die Knicke mit einem lauten Knall glättet. In hohem Bogen spritzt das Wasser aus den Düsen auf den glühenden Haufen, der mal ein Haus war, während die Feuerwehrleute sich gegen den Druck stemmen. Es ertönen weitere Sirenen von eintreffenden Fahrzeugen. Die Menge ist inzwischen auf fünfzig Personen ange wachsen, man muss brüllen, um sich bei dem Lärm verständlich zu machen.

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