Die Totensammler
Mann zum Narren gehalten wurde, der genau das ist: ein Narr. Bevor er überhaupt reagieren kann, durchzuckt ihn ein Schmerz, ein stechender Schmerz, der seinen ganzen Körper lähmt, und er fällt wie ein Stein zu Boden, während sein Gehirn versucht, seine Arme und Beine zu bewegen, doch sämtliche Leitungen sind blockiert. Er sieht, wie Adrian herüberkommt, und kann nichts tun, als dieser in die Hocke geht und ihm einen Lappen vors Gesicht presst. Erst der süßliche Geruch einer Chemikalie, ihr Geschmack, und dann gar nichts mehr.
Kapitel 25
Es ist Freitagmorgen, und es regnet immer noch. Dank meiner Mutter finde ich im Kühlschrank Eier und frischen Speck. Ich schaffe es, den Speck zu braten, die Eier allerdings nicht. Ich bin müde, denn gestern Abend, nachdem der Polizeizeichner bei mir war, habe ich drei Stunden lang im Internet die Vergangenheit von Pamela Deans und Cooper Riley recherchiert und schließlich eine äußerst vage Verbindung zwischen ihnen gefunden. Es geht dabei um eine leerstehende psychiatrische Klinik. Ich schalte mein Handy ein und rufe die Mailbox ab. Ich habe drei Nachrichten, zwei von Donovan Green und eine von Schroder. Er teilt mir mit, dass im niedergebrannten Haus keine Leichen gefunden wurden und dass die Feuerwehr überzeugt ist, beide Brände seien auf dieselbe Weise gelegt worden. Außerdem erklärt er mir, dass sein Antrag, Einsicht in Cooper Rileys drei Jahre alte Krankenakte zu nehmen, nicht bewilligt wurde; so etwas ist mit am schwersten zu kriegen.
Beim Anblick der Wolken draußen käme man nicht auf die Idee, dass wir gerade eine Hitzewelle hinter uns haben. Aus den Dachrinnen an meinem Haus strömt der Regen in den Garten, die Straßen stehen unter Wasser, und die Gullys sind größtenteils mit Blättern verstopft. Am liebsten würde ich den Tag damit beginnen, zu meiner Frau rauszufahren, ihre Hand zu halten und der Welt für eine Stunde zu entfliehen, aber das wird nicht geschehen – und komischerweise kann ich damit leben. Ich habe keine Schuldgefühle, dass ich meine Frau nicht besuche, ich habe lediglich Schuldgefühle, weil ich deswegen kein schlechtes Gewissen habe.
Ich schalte den Fernseher ein und frühstücke im Wohnzimmer, während ich mir die Morgennachrichten anschaue. Inzwischen erachtet man Emma Greens Verschwinden also doch für berichtenswert. Der Beitrag über sie dauert zehn Minuten, und Jane Tyrone kommt auch darin vor, das Mädchen von den Fotos auf der Speicherkarte, das vor fünf Monaten verschwunden ist, ungefähr zur selben Zeit, als der Schlächter von Christchurch verhaftet wurde. Gestern Abend habe ich im Internet ihren Namen eingegeben und die Artikel über ihr Verschwinden gelesen. Zwei Wochen lang hat man über sie berichtet, und dann wurde sie nicht mehr erwähnt, bis heute.
Das Phantombild, das nach meiner Beschreibung angefertigt wurde, wird gezeigt. Es ist sehr allgemein gehalten, denn die Einzelheiten stammen nicht nur von mir, sondern auch von anderen Zeugen: dem Kiffer und einer Frau von einer nahegelegenen Tankstelle, wo der Brandstifter zwei Kanister mit Benzin gefüllt hat. Die Schraffur und sein finsterer Blick lassen ihn wie einen Mörder erscheinen, doch dieser Mörder sieht aus wie mein Nachbar von nebenan, wie der Nachbar von nebenan schlechthin. Im Anschluss zeigen sie mehrere Aufnahmen von der Tankstelle, von einem Mann, der aus Emma Greens Wagen steigt und Benzin kauft. Das Problem ist nur: Sie sind von derselben Qualität wie die Fotos vom Yeti. Wenigstens liefern sie präzisere Angaben zu Größe und Gewicht des Mannes, der Emma Green entführt hat.
Ich spüle das Geschirr und gehe zurück ins Wohnzimmer. Die Nachrichten sind zu Ende, inzwischen läuft das Frühstücksfernsehen. Eine Frau in den Vierzigern, die wie eine Frau in den Zwanzigern gekleidet ist, sitzt lässig auf einem knallroten Sofa, den Arm auf der Rückenlehne ausgestreckt, und ihr gegenüber, ebenfalls auf einem knallroten Sofa, hockt ein Mann in einem Nadelstreifenanzug, mit zurückgegeltem Haar und Zähnen so weiß, dass eine übernatürliche Kraft mit im Spiel sein muss. Er heißt Jonas Jones, und er ist mir öfter über den Weg gelaufen, als ich noch bei der Polizei war. Er ist Hellseher und versucht, von der Polizei Informationen zu kriegen, um das zu tun, was er gerne als geistige Kontaktaufnahme bezeichnet. Man weiß, dass mit dem eigenen Land etwas nicht stimmt, wenn jemand grünes Licht für eine Sendung gibt, die Jonas Jones auf den Leib
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