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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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»Ja, hier ist ein Textdokument, das ziemlich groß ist und von dem die Cops gestern eine Kopie gemacht haben. Ich schau mal nach«, sagt er und macht einen Doppelklick auf das Symbol. Die erste Seite eines Manuskripts erscheint. »Das könnte es sein«, sagt er, und als er sich umdreht, halte ich ihm mit meiner bandagierten Hand einen weiteren Tausender hin.
    »Ich brauche einen Ausdruck davon«, sage ich.
    »Ich weiß nicht …«
    »Niemand wird es erfahren.«
    »Wenn rauskommt, dass ich das war …«
    »Wird es nicht. Vertrauen Sie mir. Mich wird man auf keinen Fall damit erwischen, und Cooper Riley wird sich nicht darüber beschweren können, dass man sein Buch ausgedruckt hat – falls er es je rauskriegen sollte. Und da die Polizei eine Kopie hat, ist es sowieso nur eine Frage der Zeit, bis sie an die Öffentlichkeit gelangt. Ich brauche nur einen kleinen Vorsprung.«
    »Ich weiß nicht …«, sagt er und starrt weiter auf das Geld.
    »Drucken Sie’s einfach aus, und weg bin ich.«
    »Und niemand wird davon erfahren?«
    »Nicht von mir.«
    Er dreht sich wieder zum Computer um. Dann zieht er aus seiner Tasche einen USB-Stick und steckt ihn in den Anschluss. »Das Ausdrucken würde ein Protokoll erzeugen«, sagt er, »außerdem würde das zu lange dauern. Das sind über dreihundert Seiten. Das dauert fast fünfzehn Minuten.«
    Er kopiert die Datei, was ungefähr zwei Sekunden dauert, und reicht mir den USB-Stick. Ich bin schon halb zur Tür raus, als ich mich erneut zu ihm umdrehe. »Eins noch«, sage ich. »Können Sie mir sagen, wann er die Datei zum letzten Mal geöffnet hat?«
    »Ich kann Ihnen nur sagen, wann er diese Datei das letzte Mal hier gesichert hat. Möglicherweise hat er zu Hause daran gearbeitet oder irgendwo eine andere Version abgespeichert. Aber die hier wurde vor drei Jahren zum letzten Mal abgespeichert.«
    Vor drei Jahren. Als Natalie verschwunden ist. Als Cooper sich hat scheiden lassen.
    Das Armaturenbrett des Mietwagens zeigt mir an, dass wir kurz vor elf und bereits einundvierzig Grad haben. Wegen eines weiteren Hausbrands staut sich von Norden her der Verkehr. Auf den Straßen sind kaum Fußgänger unterwegs. Ein paar streunende Hunde schnuppern im Rinnstein nach Essbarem; er ist inzwischen getrocknet und voller frischer Abfälle. Ein paar Kreuzungen später bleibe ich erneut im Verkehr stecken, weil zwei Taxis zusammengestoßen sind. Die beiden Fahrer sind unverletzt, sie brüllen sich in zwei fremden Sprachen an, ohne einander zu verstehen. Es dauert zehn Minuten, bis ich sie passiert habe; über die Straße liegen wie Diamanten verstreut mehrere Glassplitter.
    Als ich mein Haus erreiche, lasse ich die Eingangstür offen und reiße die Fenster im Arbeitszimmer auf, um für Durchzug zu sorgen. Dann stelle ich den Ventilator auf, schalte ihn an und stecke den USB-Stick in meinen Computer. Es dauert ein paar Minuten, bis er hochgefahren ist, länger als beim letzten Mal, und beim nächsten Mal wird es noch länger dauern. Die achtzehn Monate alten Komponenten in seinem Innern machen ihn zu einer Antiquität. Ich setze mich davor und massiere mir das Knie. Es fühlt sich besser an als heute Morgen und lässt sich etwas weiter durchbiegen. Dreihundert Seiten sind eine Menge Lesestoff, doch ich werde sie nur nach einer Verbindung zwischen Pamela Deans, Cooper Riley und Grover Hills überfliegen. Ich drucke den Text aus und greife nach den ersten paar Seiten. Sie sind noch nicht ganz abgekühlt, als ich auf die Verbindung stoße. Sie steht in der Einleitung. Cooper Riley hat Grover Hills immer wieder Besuche abgestattet, um dort draußen für seine Arbeit einige der Verbrecher zu interviewen. Und Schwester Deans hat ihn dabei unterstützt. Er hat Fakten für eine Studie gesammelt und an diesem Buch geschrieben. Vermutlich wollte er es irgendwann einem Verlag anbieten, oder er hat das bereits getan und eine Absage kassiert. Er ist einmal pro Woche hingefahren, und Schwester Deans war die Verbindungsperson zwischen ihm und den Pa tienten. Der Drucker spuckt noch mehr warme Seiten aus. Und ich nehme sie. Offensichtlich hat Cooper mindestens ein Dutzend Patienten befragt. Mir kommen ein paar Dinge in den Sinn. Erstens, wie nahe dran war Cooper Riley, Natalie Flowers zu entführen, Jane Tyrone zu töten und Emma Green zu entführen, als er diese Interviews gemacht hat? Zweitens, glaubte er damals womöglich, dass er nie dazu fähig wäre, eine junge Frau zu quälen und zu töten, oder war er

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