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Die Totensammler

Die Totensammler

Titel: Die Totensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PAUL CLEAVE
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haben, war sie der ruhende Pol. Und ich derjenige, der am Ende war. Diesmal, Gott, sie ist völlig durch den Wind. Sie tut nichts weiter, als in Emmas früherem Kinderzimmer zu hocken und sich an irgendeinem Kleidungsstück festzuhalten, das Emma dagelassen hat, als sie ausgezogen ist. Hillary ist die stärkste Frau, die ich kenne, aber das hier … wenn wir Emma nicht lebend zurückbekommen«, sagt er, »sie ist … sie ist … Ich weiß nicht. Ich weiß es einfach nicht«, sagt er und schüttelt den Kopf. »Sie … Finden Sie sie, okay? Und finden Sie sie lebend. Bitte, Sie müssen meine Tochter lebend wiederfinden.«
    Ich möchte ihm sagen, dass das genau das ist, was ich tun werde. Dass er seiner Frau versichern kann, dass alles gut wird, weil sie heute Abend, spätestens morgen, ihre Tochter zurückhaben. Ich kann an seinem müden Gesicht und an seinen müden Zügen erkennen, dass er genau das von mir hören will, dass er sich um einiges besser fühlen würde, wenn ich das sage.
    Und ich bin kurz davor.
    Ich nicke, und er erwidert mein Nicken und wendet sich ab. Ich sehe ihm nach. Vielleicht will er wieder nach Hause fahren oder ins Krankenhaus, vielleicht will er auch Jonas Jones, den Hellseher, aufsuchen oder einen Priester, weil er in seiner Verzweiflung nichts unversucht lassen möchte.
    Ich trete in den Flur zurück. Die bloße Vorstellung von Geld ist nicht so eindrucksvoll wie sein Anblick, darum halte ich zweitausend Dollar an das Fenster der Tür zum Serverraum und klopfe. Ich könnte versuchen, fünfzig Dollar hochzuhalten, und auf dasselbe Ergebnis hoffen, doch das Risiko, dass der Typ die Polizei verständigt, wird mit jedem Hunderter, den ich in der Hand halte, geringer. Die Tür ist verschlossen. Der Typ kommt herüber und starrt auf das Geld, dann zu mir und dann wieder auf das Geld.
    Den Blick weiter auf das Geld gerichtet, fragt er: »Was wollen Sie?«
    »Ihnen ein paar Fragen stellen«, antworte ich. »Zu Cooper Riley.«
    »Sind Sie ein Reporter?«
    »Na los, das hier ist Bargeld, kein ungedeckter Scheck.«
    »Was sind Sie dann?«
    »Ich bin jemand, der versucht, Cooper Riley zu finden, und Sie sehen aus wie jemand, der ein bisschen Bargeld brauchen könnte.«
    »Wie viel ist das?«
    »Zweitausend«, sage ich und werde langsam ungeduldig. »Es dauert nur zwei Minuten. Haben Sie je tausend Dollar in einer Minute verdient?«
    Er schließt auf. Dies ist der kälteste Raum, den ich seit meiner Entlassung betreten habe. Ventilatoren verwirbeln die Luft, und die Klimaanlage läuft auf Hochtouren; sie ist mit schmalen Papierstreifen beklebt, die im Zug flattern. Auf sämtlichen Oberflächen blinken LED-Lichter, und der Raum ist von einem Dutzend eingeschalteter Computermonitore und Neonröhren unter der Decke hell erleuchtet. Ich kann sie summen hören. Dazu kommt das Geräusch von hundert tickenden Festplatten; man lauscht einer wahren IT-Symphonie. Die Tür schließt sich hinter mir. Er kann den Blick nicht vom Geld abwenden.
    »Also, worum geht’s?«, fragt er. Und fügt hinzu: »Sie sollten nicht hier sein«, fast so, als würde er von einem Teleprompter ablesen.
    »Ich brauche ein paar Informationen.«
    »Ich darf keine … keine … Sind das zweitausend?«
    »Ganz genau. Und ich verlange nichts Illegales«, sage ich, was komplett gelogen ist. »Hören Sie, alles, was ich von Ihnen möchte, ist, dass Sie sämtliche von Cooper Rileys Dateien abrufen.«
    »Ich dachte, Sie wollten nur, dass ich Ihnen ein paar Fragen beantworte.«
    »Es ist ein wenig komplizierter als das«, sage ich.
    »Ich habe sie bereits für die Polizei abgerufen.«
    »Dann sollte es nicht allzu schwer für Sie sein.«
    »Ich … ich weiß nicht.«
    »Ich suche nach was Bestimmtem. Ich muss wissen, ob er von einer Datei eine Sicherungskopie gemacht hat. Wenn Sie nachschauen, kriegen Sie das hier«, sage ich und wedle mit dem Geld.
    »Nur fürs Nachschauen?«
    »Nur fürs Nachschauen.«
    »Okay. Okay, das ist nicht besonders illegal«, sagt er und rechtfertigt damit die Sache vor sich, während er gleichzeitig die Hand ausstreckt. Ich gebe ihm das Geld.
    Er schlurft zu einem der Terminals und tippt etwas ein. Dreißig Sekunden später hat er die Informationen, die er benötigt, denn er hat sie erst gestern abgerufen. Eine Liste mit Dateien und Ordnern erscheint.
    »Er hat an einem Buch geschrieben«, sage ich.
    »Was für ein Buch?«
    »Über Verbrecher.«
    »Einen Moment«, sagt er und fängt an, durch die Dateien zu scrollen.

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