Die Totgesagten
Sportskanonen.« Erica ließ demonstrativ die Zunge aus dem Mund hängen.
»Nein, das kann man nicht gerade behaupten.« Auch Patrik atmete schwer. »Du brauchst bei deiner Arbeit ja nur auf dem Hintern zu sitzen, da ist das noch okay, aber ich bin eine Schande für die Polizei.«
»Gar nicht.« Erica kniff ihn in die Wange. »Du bist doch der Beste, den sie haben …«
»Dann stehe Gott den Einwohnern von Tanum bei.« Er lachte. »Aber die Diät deiner Schwester zeigt schon ein bisschen Wirkung. Heute Morgen hatte ich das Gefühl, dass die Hose etwas lockerer sitzt.«
»Stimmt. Aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir müssen dranbleiben.«
»Und hinterher können wir wieder schlemmen und zusammen fett werden.« Beim Lebensmittelladen bog er links ab.
»Und alt. Wir können zusammen alt werden.«
Er zog sie noch näher zu sich heran. »Ja, wir können zusammen alt werden. Du und ich. Im Altenheim. Und Maja kommt einmal im Jahr zu Besuch, weil wir ihr gedroht haben, dass wir sie sonst enterben …«
»Spinnst du?« Lachend schlug sie ihm auf die Schulter. »Wirwerden doch bei Maja wohnen, wenn wir alt sind. Und das bedeutet, dass wir alle zukünftigen Verehrer vergraulen müssen.«
»Kein Problem. Ich darf schließlich eine Waffe tragen.«
Sie waren bei der Kirche angekommen und blieben einen Augenblick stehen. Beide blickten zum Kirchturm hinauf. Die Kirche, ein massives Granitgebäude, ragte hoch über dem Ort auf. Von hier aus hatte man meilenweite Aussicht über das Meer.
»Als ich klein war, habe ich oft davon geträumt, hier zu heiraten. Aber es erschien mir immer so weit weg. Und nun stehe ich hier. Jetzt bin ich erwachsen, habe ein Kind und werde heiraten. Kommt es dir manchmal auch so absurd vor?«
»Absurd ist gar kein Ausdruck«, meinte Patrik. »Vergiss nicht, dass ich obendrein geschieden bin. Erwachsener geht es kaum.«
»Wie konnte ich Karin nur vergessen? Und Leffe!«, lachte Erica. Ein säuerlicher Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen, wie immer, wenn sie über Patriks Exfrau redete. Sie neigte zwar nicht zu übertriebener Eifersucht und hätte es ganz bestimmt nicht gut gefunden, wenn Patrik mit seinen fünfunddreißig Jahren die Unschuld vom Lande gewesen wäre. Aber es war trotzdem kein angenehmer Gedanke, dass er mit einer anderen zusammen gewesen war.
»Wollen wir nachsehen, ob die Tür offen ist?«, fragte Patrik.
Vorsichtig betraten sie die Kirche, unsicher, ob sie gegen ein ungeschriebenes Gesetz verstießen. Eine Gestalt vorm Altar drehte sich um.
»Oh, hallo.« Harald Spjuth, der Pfarrer von Fjällbacka, war gut gelaunt wie immer. Patrik und Erica hatten nur Gutes von ihm gehört und waren froh, dass er sie trauen würde.
»Wollen Sie ein bisschen üben?«
»Nein,wir sind beim Spazierengehen zufällig vorbeigekommen.« Patrik gab dem Pfarrer die Hand.
»Lassen Sie sich nicht stören, ich pussle hier nur ein bisschen herum. Fühlen Sie sich wie zu Hause. Falls Sie noch Fragen zur Trauung haben, schießen Sie einfach los. Ansonsten schlage ich vor, dass wir das Ganze eine Woche vorher in Ruhe besprechen.«
»Wunderbar.« Der Pfarrer gefiel Erica immer besser. Sie hatte der Gerüchteküche entnommen, dass er erst im reifen Alter die Liebe für sich entdeckt und Gesellschaft auf dem Pfarrhof bekommen hatte. Sie freute sich für ihn. Nicht einmal die ältesten und frömmsten Damen störten sich daran, dass er mit seiner Margareta, die er angeblich über eine Kontaktanzeige kennengelernt hatte, noch nicht verheiratet war, sondern »in Sünde lebte«. Und das sagte viel über seine Beliebtheit aus.
»Ich hätte gern rote und rosa Rosen als Dekoration. Was hältst du davon?«
»Hört sich gut an«, antwortete Patrik zerstreut. Als er ihren Gesichtsausdruck sah, bekam er ein schlechtes Gewissen. »Es tut mir wahnsinnig leid, dass du so viel zu tun hast. Ich wünschte, ich könnte dir bei den Hochzeitsvorbereitungen mehr helfen, aber …«
»Ich weiß, Patrik. Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Ich habe ja Anna. Wir kriegen das schon hin. Es ist doch nur eine kleine Hochzeit, wo liegt das Problem?«
Patrik zog eine Augenbraue hoch, und sie musste lachen. »Okay, es ist ziemlich anstrengend. Vor allem ist es eine Heidenarbeit, deine Mutter in Schach zu halten. Aber auch das macht mir mittlerweile Spaß. Ich schwöre.«
»Na dann.« Patriks Gewissen war ein wenig beruhigt.
Als sie die Kirche verließen, war es Abend geworden. Gemächlich gingen sie den
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