Die Totgesagten
Stuhl sacken. Er hatte das alles so satt. Bis jetzt hatte Raus aus Tanum seine Erwartungen nicht erfüllt. Dass er wirklich arbeiten musste – in echt –, hatte er sich nicht klargemacht. Definitiv ein Fehler. Ein paar Einbrüche, kleine Diebstähle und Ähnliches hatten ihn bislang vor ehrlicher Arbeit bewahrt. Er hatte zwar nicht in Saus und Braus gelebt, da er sich über die Kleinkriminalität nicht hinauswagte, aber er war zurechtgekommen. Hauptsache, er brauchte nicht zu arbeiten. Und dann war er hier gelandet. Da war es ja sogar auf der Insel angenehmer gewesen. Dort hatte er immerhin den ganzen Tag in der Sonne liegen und mit den anderen Teilnehmern Scheißelabern können. Hin und wieder ein beknackter Robinson-Wettstreit, aber ansonsten hatte man seine Ruhe. Natürlich gab es wenig zu fressen, doch der Hunger hatte ihm weniger ausgemacht als erwartet.
Die anderen Teilnehmer von Raus aus Tanum waren auch nicht das, was er sich erhofft hatte. Alles Vollidioten. Mehmet war so ein ätzender Streber. Der ackerte wie ein Blöder in der Bäckerei, freiwillig! Calle machte nur mit, damit er im Stockholmer Nachtleben der King blieb. Tina war so versnobt und überheblich, dass er ihr am liebsten mal die Fresse poliert hätte. Jonna war einfach nur eine beschissene Versagerin. Was das mit dem Schlitzen sollte, kapierte er überhaupt nicht. Und schließlich Barbie. Uffes Blick verfinsterte sich. Zu der alten Sau fiel ihm einiges ein. Wenn die glaubte, dass sie sich alles erlauben konnte, hatte sie sich aber getäuscht. Nach allem, was ihm heute Morgen zu Ohren gekommen war, würde er sich die aufgeblasene Silikonbraut definitiv vorknöpfen müssen.
»Wie wäre es zur Abwechslung mal mit Arbeiten, Uffe?« Simon sah ihn vorwurfsvoll an. Ächzend erhob sich Uffe vom Stuhl und grinste in die fest installierte Kamera, bevor er in den Laden schlurfte. Er würde sich wohl opfern müssen und ein bisschen schuften. Aber heute Abend … Da würde er ein ernstes Wörtchen mit Barbie reden.
Nachdem Mellberg Feierabend gemacht hatte, blieb er kurz vor Patriks Büro stehen. Der saß gerade mit Martin zusammen, und die beiden machten einen schwerbeschäftigten Eindruck. Der Schreibtisch war mit Akten übersät, und Martin kritzelte eifrig auf seinen Notizblock. Patrik hatte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt und telefonierte, während er in den Papierstapeln wühlte. Mellberg zog schon in Erwägung, hineinzugehen und sich zu erkundigen, was die beiden so Dringendes zu tun hatten. Doch nach reiflicher Überlegung ließ er es bleiben. Er hatte Wichtigeres vor, er musste nach Hause undsich für sein Treffen mit Rose-Marie zurechtmachen. Um sieben waren sie im Gestgifveri verabredet, somit blieben ihm nur noch zwei Stunden, um sich in einen ansehnlichen Zustand zu versetzen.
Der kurze Spaziergang brachte ihn völlig außer Atem. Seine Kondition ließ zu wünschen übrig, das musste er zugeben. Als er seine Wohnung betrat, sah er sie plötzlich mit den Augen eines Außenstehenden. Der Anblick war nicht optimal, das merkte sogar er. Falls es hier zu einem netten Schäferstündchen kommen sollte, musste er etwas unternehmen. Die Vorstellung, ein bisschen Ordnung zu schaffen, bereitete ihm zwar körperliches Unbehagen, doch andererseits war er selten so motiviert gewesen. Es war ihm erstaunlich wichtig, einen guten Eindruck auf die Frau zu machen, mit der er heute Abend verabredet war.
Eine Stunde später ließ er sich erschöpft aufs Sofa fallen. Die Sofakissen waren heute zum ersten Mal seit seinem Einzug aufgeschüttelt worden. Jetzt war auch ihm klar, warum er so selten putzte: Es war einfach zu anstrengend. Andererseits musste er zugeben, dass die Aufräumaktion Wunder gewirkt hatte. Seine Wohnung sah gar nicht so übel aus. Die hübschen Möbelstücke, die er von seinen Eltern geerbt hatte, kamen erst richtig zur Geltung, nachdem sie von ihrer dicken Staubschicht befreit worden waren. Und der gewohnte Mief hatte sich auch verflüchtigt, als er einmal kräftig gelüftet hatte. Die Spüle, in der sich sonst tagelang der Abwasch türmte, blitzte geradezu in der Frühlingssonne. Nun konnte er guten Gewissens eine Dame mit nach Hause nehmen.
Mellberg sah auf die Uhr und erschrak. Nur noch eine Stunde bis zu ihrem Treffen, und er war völlig verdreckt und verschwitzt. Jetzt musste die Renovierung aber wirklich im Eiltempo vonstattengehen. Er suchte die Kleidungsstücke heraus, die er anziehen wollte. Leider war die
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