Die Totgesagten
Auswahl nicht groß: Die meisten seiner Hemden und Hosen wiesen Flecken in allen Formen und Farben auf und hattenschon lange kein Bügeleisen mehr gesehen. Per Ausschlussverfahren entschied er sich schließlich für ein blauweiß gestreiftes Hemd, eine schwarze Hose und einen roten Schlips mit Donald-Duck-Motiv. Den fand er richtig pfiffig, und die rote Farbe passte so gut zu seinem Gesicht. Allerdings gehörte die Hose in die Kategorie »ungebügelt«, und er überlegte eine Weile, wie er das Problem angehen sollte. Er suchte in der ganzen Wohnung, doch das Bügeleisen glänzte durch Abwesenheit. Als sein Blick auf das Sofa fiel, kam ihm eine ausgezeichnete Idee. Eifrig fegte er die Sitzpolster hinunter und breitete die Hose so glatt wie möglich aus. Unter den Polstern war es zwar nicht ganz sauber, doch damit würde er sich später befassen. Das meiste ließ sich wahrscheinlich einfach abbürsten. Dann legte er die Polster darüber und setzte sich für fünf Minuten darauf. Wenn er sich nach dem Duschen noch mal ein paar Minuten aufs Sofa setzte, sah die Hose sicher aus wie frisch gebügelt. Zum Glück gehörte er zu der Sorte Junggesellen, die sich zu helfen wussten, dachte er zufrieden.
Die Leute strömten zum Heimathof, wo die »Disko« stattfinden sollte. Die Betten der Teilnehmer hatte man weggeräumt, ihre privaten Dinge hatten sie eingeschlossen. Noch war kein Einlass, und so ringelte sich eine lange Schlange über den Parkplatz. Frierende Mädchen hüpften auf und ab und bereuten im frischen Frühlingswind ihre kurzen Röcke und tiefen Ausschnitte. Allen stand der gleiche erwartungsvolle Ausdruck ins Gesicht geschrieben. So etwas Spannendes war hier schon lange nicht mehr passiert. Die Jugendlichen waren aus der ganzen Gemeinde und auch von weiter her gekommen, einige sogar aus Strömstad und Uddevalla. Ungeduldig starrten sie die Tür an. Dahinter befanden sich ihre Helden, ihre Idole. Die das erreicht hatten, wovon sie selbst träumten: Sie waren berühmt. Sie wurden auf Partys mit anderen berühmten Leuten eingeladen. Sie waren im Fernsehen. Vielleicht würdeheute Abend ein bisschen von diesem Glanz auf die Provinzjugend abfärben. Vielleicht würden sich die Kameras auch auf sie richten. Wie auf dieses Mädchen in Raus aus Töreboda . Die war mit diesem Andreas aus Die Bar zusammengekommen und durfte ein paarmal in der Serie auftreten. Wenn einem so was gelingen würde! Die Mädchen zupften nervös an ihren Röcken und legten eine frische Schicht Lipgloss auf. Haare wurden geschüttelt und eingesprayt, kritisch wurden die Ergebnisse in kleinen Taschenspiegeln begutachtet. Die Spannung war mit Händen zu greifen.
Fredrik Rehn lachte, als er die Schlange vor seinem Fenster sah. »Seht mal, Jungs und Mädels. Hier kommen die Statisten. Aus dem Abend holen wir alles raus, okay? Bloß keine Hemmungen! Gebt euch die Kante, amüsiert euch und macht, wozu ihr Lust habt.« Seine Augen wurden schmal. »Hauptsache, ihr tut es vor der Kamera. Wehe, mir kommt zu Ohren, dass sich einer heimlich anderswo amüsiert. Das wäre Vertragsbruch.«
»Du hörst dich an wie Brinkenstierna«, sagte Calle. Einige lachten. Nur Jonna hatte die berüchtigten Nachtklubtourneen des glatzköpfigen Skandalmanagers verpasst und konnte nicht mitreden.
Fredrik lächelte, doch seine Augen blieben todernst. »Ich brauche euch nicht zu erklären, worum es hier geht. Unterhaltung. Ihr seid ausgesucht worden, weil ihr wisst, wie man die Scheiße zum Kochen bringt. Genau das ist eure Aufgabe. Vergesst das nie. Wir investieren nicht einen Haufen Geld in so eine Produktion, damit ihr sechs euren Spaß habt, euch umsonst besauft und eure Baggerchancen erhöht. Ihr seid hier, um zu arbeiten.«
»Was hat dann Jonna hier verloren?« Uffe grölte vor Lachen und sah sich beifallheischend um. »Die bringt nicht einmal ein Altersheim zum Kochen.« Jonna hielt den Blick fest auf ihre Knie gerichtet.
»Bei den Mädchen zwischen vierzehn und neunzehn kommtJonna wahnsinnig gut an. Viele erkennen sich in ihr wieder. Deswegen wollten wir sie dabeihaben.« Fredrik musste Uffe insgeheim recht geben. Das Mädchen war wie ein schwarzes Loch, sie zog einen total runter. Aber diese Entscheidung war über seinen Kopf getroffen worden, und er musste damit leben.
»Also, ist allen klar, worauf es heute Abend ankommt? Party, Party, Party!« Er zeigte einladend auf den Tisch mit den Getränken. »Außerdem stehen wir alle hinter Tina, wenn sie heute Abend ihren
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