Die Totgesagten
ausfüllte. Vielleicht hatte jeder Todesfall, jeder Schmerz und jedes Schicksal ein weiteres Tröpfchen in das Gefäß in seinem Inneren bedeutet, und nun passte nichts mehrhinein. Das war keine Entschuldigung, aber möglicherweise eine Erklärung.
Seufzend wählte er die Nummer der Hauseigentümer, um sie über den Leichenfund in ihrer Mülltonne zu informieren.
»Was soll das?« Uffe sah müde und verärgert aus.
Patrik antwortete nicht sofort. Stattdessen ordneten Martin und er umständlich ihre Papiere. Sie saßen Uffe an dem wackligen Tisch gegenüber, der neben den vier Stühlen die einzige Möblierung des Raums darstellte. Patrik fiel auf, dass Uffe nicht besonders nervös wirkte, aber er hatte mit den Jahren gelernt, dass der äußere Eindruck extrem wenig mit dem zu tun hatte, was in einem Menschen vor sich ging. Er räusperte sich, faltete die Hände auf dem Papierstapel und beugte sich vor.
»Es gab also gestern Streit?« Gewissenhaft studierte Patrik Uffes Reaktion. Nichts als ein schiefes Grinsen. Lässig lehnte sich der Junge zurück und lachte leise.
»Ach, das. Übrigens hat mich Ihr Kollege da ziemlich grob angepackt. Vielleicht sollte ich Anzeige erstatten.« Er lachte wieder. Patrik fühlte Ärger in sich aufsteigen.
»Uns liegt ein Bericht von Martin Molin und seiner Kollegin vor. Nun möchte ich deine Version hören.«
»Meine Version.« Uffe streckte die Beine aus, so dass er mehr lag als saß. Bequem sah das nicht aus. »Meine Version ist, dass es ein bisschen Krach gab. Im Suff. Sonst nichts. Warum?« Seine Augen wurden schmal. Patrik sah, dass sein alkoholdurchtränktes Gehirn fieberhaft arbeitete.
»Wir stellen hier die Fragen, nicht du«, sagte Patrik scharf. »Gestern Abend um zehn vor eins haben zwei unserer Polizisten gesehen, wie du eine der Teilnehmerinnen, Lillemor Persson, angegriffen hast.«
»Barbie meint ihr«, unterbrach ihn Uffe grölend. »Lillemor … Mann, der war echt gut!«
Patrikmusste sich beherrschen, um dem jungen Mann nicht eine ordentliche Ohrfeige zu verpassen. Martin schien es zu spüren und sprang für ihn ein, damit sich Patrik einen Augenblick sammeln konnte.
»Wir haben beobachtet, wie du auf Lillemor eingeschlagen hast. Was hatte den Streit ausgelöst?«
»Ich kapiere nicht, was Sie von mir wollen. Da war doch gar nichts. Wir hatten nur … eine kleine Meinungsverschiedenheit! Ich habe sie kaum angefasst!« Allmählich wich Uffes Lässigkeit einer gewissen Unruhe.
»Worüber habt ihr euch gestritten?«
»Über gar nichts! Na ja, das heißt, ich hatte mitgekriegt, dass sie schlecht über mich geredet hat. Ich wollte nur, dass sie es zugibt. Und es zurücknimmt! Die kann nicht einfach so einen Mist über mich erzählen. Das wollte ich ihr klarmachen!«
»Und genau das wolltest du ihr auch später in der Nacht klarmachen, zusammen mit den anderen?« Patrik blickte konzentriert auf den Bericht, der vor ihm lag.
»Jaaa«, antwortete Uffe gedehnt. Er saß inzwischen aufrechter. Auch sein permanentes Grinsen verschwand langsam. »Quatscht doch einfach mit Barbie darüber. Ich schwöre, dass sie das Gleiche sagen wird. Es war nur ein bisschen Stress, nichts, wofür man Bullen braucht.«
Patrik fing Martins Blick auf und wendete sich dann ruhig an Uffe. »Lillemor wird zu dem Thema nicht mehr viel sagen können. Wir haben heute Morgen ihre Leiche gefunden. Sie wurde ermordet.«
Im Verhörzimmer wurde es totenstill. Uffe wurde noch blasser. Martin und Patrik ließen ihn schwitzen.
»Sie … äh … machen Witze, oder?«, brachte er schließlich raus. Die beiden Polizisten reagierten nicht. Langsam sickerten die Worte in Uffes Gehirn. Auf seinem Gesicht keine Spur mehr von einem Lächeln.
»Nee, oder? Glauben Sie, dass ich … Aber ich … Das wardoch nur ein kleiner Streit. Ich wollte doch nicht … Ich habe nicht …« Seine Lider flatterten.
»Wir brauchen eine DNA -Probe von dir.« Patrik zog die nötigen Utensilien aus der Tasche. »Du hast doch nichts dagegen?«
Uffe zögerte. »Scheiße, natürlich nicht. Macht, was ihr wollt. Ich bin unschuldig.«
Patrik nahm mit Hilfe eines Tupfers eine Probe aus Uffes Mundhöhle. Für einen Moment schien Uffe es sich anders zu überlegen, aber als der Umschlag mit dem Tupfer sorgfältig verschlossen wurde, war es zu spät. Uffe starrte den Umschlag an. Er schluckte und schaute Patrik mit weit aufgerissenen Augen an.
»Sie brechen doch nicht die Serie ab, oder? Das können Sie nicht machen. Ich meine, das
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