Die Totgesagten
Gesicht.
Für einen Moment wirkte Fredrik Rehn ein wenig angestrengt. »Man darf die Realität nicht aus dem Auge verlieren. Wir haben eine Menge in Raus aus Tanum investiert und hoffen, dass sich diese Investition für uns und für Sie lohnt. Wir rechnen mit guten Quoten und Werbeeinnahmen, Sie mit Tourismuszuwachs. Ganz einfach.«
Erik Bohlin, der Wirtschaftsbeauftragte der Gemeinde Tanum, wollte eine Frage stellen, aber da Erling befürchtete, sie könnte die Diskussion in eine unerwünschte Richtung lenken, brachte er den jungen Mann mit einem strengen Blick zum Schweigen.
»Dassoll Touristen anlocken? Morde haben doch eher eine dämpfende Wirkung auf den Fremdenverkehr.« Der ehemalige Bürgermeister Jörn Schuster runzelte die Stirn und erwartete offensichtlich eine Antwort. Erling spürte seinen Blutdruck steigen und zählte im Geiste bis zehn. Dass die Leute immer so negativ sein mussten! Es war eine Tortur, ständig so tun zu müssen, als würde man Rücksicht auf diese Menschen nehmen, die im Gegensatz zu ihm keinen Tag an der Spitze eines Unternehmens überlebt hätten. Eiskalt wendete er sich an Jörn.
»Deine Einstellung enttäuscht mich. Ich dachte immer, wenigstens du könntest die großen Zusammenhänge erkennen. Ein Mann wie du sollte sich nicht mit Details aufhalten. Wir wollen alle das Beste für die Gemeinde. Dann dürfen wir auch nicht blockieren, was uns nach vorne bringt.« Der schmeichelhaft verpackte Vorwurf zauberte ein unsicheres Blitzen in die Augen seines Vorgängers. Jörn Schuster wollte seinen Ruf als starker Mann nicht verlieren, der freiwillig seinen Posten geräumt hatte und seinem Nachfolger mit Rat und Tat zur Seite stand. Dabei wussten beide, dass dies nicht den Tatsachen entsprach. Aber Erling spielte mit, solange er bekam, was er wollte. Die Frage war, ob Jörn auf Dauer auch mitspielte. Erling wartete ab. Es herrschte gedrückte Stille. Alle warteten gespannt auf Jörns Reaktion. Sein buschiger weißer Bart wippte, bis er sich nach langer Bedenkzeit mit väterlichem Lächeln an Erling wendete.
»Du hast natürlich recht. In meinen vielen Jahren an der Spitze dieser Gemeinde haben mich Neinsager und nebensächliche Details nie davon abgehalten, große Ideen durchzusetzen.« Zufrieden blickte er sich um. Die anderen waren baff. Vergeblich versuchten sie, sich an irgendwelche großen Ideen von Jörn zu erinnern.
Erling lächelte Jörn anerkennend zu. Der alte Fuchs hatte sich richtig entschieden. Der wusste, auf welches Pferder setzen musste. Mit dieser Gewissheit beantwortete Erling endlich die Frage.
»Bezüglich des Tourismus befinden wir uns in der glücklichen Lage, unseren Ortsnamen in großen Lettern auf jeder Titelseite zu finden. Zugegeben, im Zusammenhang mit einer Tragödie, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der Name des Ortes praktisch jedem Schweden ins Bewusstsein gehämmert wird. Diesen Umstand können wir uns zunutze machen. Ich schlage vor, dass wir eine PR -Firma beauftragen, die uns hilft, Vorteile aus dem Medienrummel zu ziehen.«
Erik Bohlin murmelte etwas von Budget, aber Erling fegte die Bemerkung weg wie eine lästige Fliege. »Darüber reden wir jetzt nicht, Erik. Genau das habe ich vorhin mit Details gemeint. Jetzt denken wir groß, alles andere wird sich finden.« Er wendete sich an Fredrik Rehn, der die Diskussion amüsiert verfolgt hatte. » Raus aus Tanum wird mit unserer vollen Unterstützung weiterlaufen, nicht wahr?« Erling sah jedem Einzelnen intensiv in die Augen.
»Natürlich.« Gunilla Kjellin warf ihm einen bewundernden Blick zu.
»Lasst die Scheiße laufen, schlimmer kann es sowieso nicht kommen«, fügte Uno Brorsson mürrisch hinzu.
»Stimmt.« Erik Bohlin hatte eine Million unausgesprochener Fragen im Kopf.
»Gut.« Jörn Schuster kratzte sich am Bart. »Schön, dass alle das große Ganze im Blick haben, so wie Erling und ich.« Er grinste breit, und Erling lächelte gequält zurück. Der Alte hatte keine Ahnung, wovon er redete. Aber immerhin war die Sache leichter gewesen, als er erwartet hatte. Sein Lächeln entspannte sich. Mann, war er gut!
»Fisch oder Geflügel?«
»Genau dazwischen.« Anna lachte.
»Hör auf.« Erica streckte ihrer Schwester die Zunge her aus.In Wolldecken eingewickelt, saßen sie auf der Veranda und tranken Kaffee. Die Menüvorschläge des Hotels lagen auf Ericas Schoß. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Die strenge Diät hatte ihre Geschmacksknospen angeregt, und sie hatte das
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