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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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auch keine schlechten Neuigkeiten.«
    Wendel sah den Ritter von der Seite an. Er wurde nicht schlau aus ihm, und das beunruhigte ihn mehr als alles andere.
    »Antonius und ich haben gerade überlegt, wie wohl das Innere des Kerkers von Esslingen aussehen mag«, sagte von Säckingen. »Ihr kommt also gerade recht, Füger, denn nur Ihr habt ihn von innen gesehen.«
    Wendel seufzte und hockte sich auf den Boden. »Der Esslinger Kerker ist unter dem Schelkopfstor untergebracht«, sagte er und ritzte mit der Spitze seines Messers die Umrisse in den angetrockneten Schlamm. »Eine steile Treppe führt nach unten in ein Kellergewölbe, daran schließt sich ein Gang an, an dem zur linken Hand der Thronsaal liegt.«
    Von Säckingen runzelte die Stirn.
    »So heißt der Folterkeller in Esslingen.«
    »Die Esslinger haben durchaus Sinn für derbe Scherze«, sagte von Säckingen und brach sich noch ein Stück Brot ab.
    »Von dem Gang geht es zudem rechts in den großen Kerker, in dem ich zuerst gesessen habe.« Wendel musste tief durchatmen, um die aufkeimende Panik zu verscheuchen. Allein der Gedanke an den Kerker löste in ihm den Drang aus, aufzuspringen und wegzurennen. »Hier sitzt immer allerhand Gesindel ein. Zudem gibt es ein kleines Einzelverließ, nämlich hier, nachdem der Gang eine scharfe Rechtskurve gemacht hat.« Er markierte die Stelle. »Darin war ich später untergebracht. Neben dem Thronsaal muss es noch einen weiteren Raum geben, den habe ich aber nie von innen gesehen.«
    Er atmete scharf ein. Des Nachts hatte er einmal Schreie aus jenem Raum gehört, gellende Schreie, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten. Bis heute wusste er nicht, ob er sich die Schreie eingebildet hatte, oder ob damals tatsächlich jemand dort eingesperrt gewesen war. An vieles konnte er sich ohnehin nur verschwommen erinnern. Und das war wahrscheinlich auch besser so.
    »Das Schelkopfstor ist nicht mit Soldaten besetzt«, ergänzte von Säckingen, den Blick auf die Zeichnung am Boden geheftet. Entweder hatte er nicht bemerkt, was in Wendel vorging, oder er ignorierte es absichtlich. »Denn es liegt innerhalb der Stadt und wird nur voll bemannt, wenn der Feind vor den Toren steht. Trotzdem werden wir es wahrscheinlich mit sechs bis acht Männern zu tun bekommen – je vier Büttel und vier Wachen des Rates. Die Zeiten, in denen nachts lediglich zwei verschlafene Wachen Dienst schoben, sind vorbei.« Er warf Wendel einen Blick zu.
    Wieder versuchte dieser, die Gedanken des Ritters zu erraten, aber es gelang ihm nicht. Er musste wachsam bleiben. Dieser Mann war äußerst gefährlich. Normalerweise hätte Wendel sich nicht gescheut, von Säckingens Behauptungen auf der Adlerburg zu überprüfen, doch die Zeit drängte.
    »Wir können es nicht mit acht Mann aufnehmen«, fuhr von Säckingen fort. »Selbst wenn das Überraschungsmoment auf unserer Seite ist. Also müssen wir die Wachen ablenken. Unter welchen Umständen würden sie ihren Posten verlassen?«
    »Wenn sie woanders gebraucht werden«, schlug Antonius vor.
    »Richtig! Und wann ist das der Fall?«
    Wendel überlegte. Er erinnerte sich an seinen Schwur. Wenn es sein muss, werde ich die ganze Stadt in Brand stecken, um sie vor dem Galgen zu retten! »Ein Feuer!«, sagte er. »Wenn es brennt, wird jede Hand gebraucht, dann würden sogar die Büttel bis auf zwei abgezogen. Das ist in jeder Stadt so.«
    »Genau.« Von Säckingen zog ein Pergament aus der Tasche.
    Verwundert stellte Wendel fest, dass es ein Stadtplan von Esslingen war. Der Ritter hatte sich gut vorbereitet. Seine Geschichte schien also wahr zu sein.
    »Und ich wüsste die ideale Stelle.« Von Säckingen tippte auf einen Punkt auf dem Plan »Die Pliensau ist nicht sehr dicht bebaut«, erklärte er. »Etwa hier steht eine alte Scheune, die offenbar kaum genutzt wird. Wenn wir dort Feuer legen, wird alles, was Hände und Beine hat, sich aufmachen, um eine Löschkette zu bilden. Von der Scheune bis zum Neckar ist es ein Stück, sie liegt von beiden Flussarmen etwa gleich weit entfernt. Und einen Löschteich gibt es in der Pliensau nicht.«
    Wendel rieb sich das Kinn. »Dann müssen wir getrennt zuschlagen. Einer legt das Feuer …«
    Antonius winkte ab. »Nicht nötig. Einer legt das Feuer, das ist richtig. Aber er wird genug Zeit haben, rechtzeitig zu den anderen zu stoßen, denn er wird dafür sorgen, dass sich der Ausbruch der Flammen verzögert.«
    Von Säckingen nickte anerkennend. »Ihr seid mit allen Wassern gewaschen,

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