Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
Vom Netzwerk:
Antonius. Welche Methode verwendet Ihr?«
    »Glühende Kohlen werden in ein feuchtes Tuch eingeschlagen, das wiederum in Holzwolle liegt, die mit Pech getränkt ist. Die Glut frisst sich langsam durch das Tuch, und wenn sie das Pech erreicht, schlagen die Flammen schnell hoch. Wir werden längst am Schelkopfstor auf der Lauer liegen, wenn die Glocken Alarm schlagen.«
    Wendel war beeindruckt. Diese Seite seines Gefährten hatte er noch nicht kennengelernt.
    »Das ist ein guter Plan. Und dann holen wir Mech … Melisande aus dem Verlies und schaffen sie aus der Stadt.«
    »Wenn nur der Wagen rechtzeitig eintrifft«, sagte Antonius.
    Wenn nur der Henker bis dahin die Finger von Melisande lässt, ergänzte Wendel in Gedanken. Oder dieser Sempach. Wenn Melisande nachts in sein Haus eingedrungen war, gab es dafür einen Grund. Und das konnte nur bedeuten, dass dieser feine Ratsherr gar nicht so fein war.
***
    Nicklas hielt mit der Linken den Rohling und mit der Rechten den Hammer. Er wollte zuschlagen, erkannte aber, dass das Eisenstück schon kalt geworden war. Was hatte er nur falsch gemacht? Wie konnte die Gräfin nur glauben, dass er seinem Bruder ein Leid zufügen könnte?
    Er steckte den Rohling wieder in die Esse, trat kräftig den Blasebalg und erhitzte das Stück auf die richtige Temperatur. Er musste sich konzentrieren, durfte seinen Gedanken nicht erlauben, abzuschweifen. Er hatte Gitterstäbe für ein neues Verlies geschmiedet. Sie waren so dick, dass nicht einmal zehn Pferde sie verbiegen konnten. Seltsam war, dass das Verlies nicht im Kellergewölbe angelegt wurde, wo die übrigen Verliese waren, sondern im Palas, ganz in der Nähe der persönlichen Gemächer der Gräfin. Wer sollte dort eingesperrt werden?
    Nicklas schwang den Hammer. Jeder Hieb auf das glühende Eisen war wie eine Befreiung. Er tauchte den fertigen Stab ins Wasser, rieb die Schlacke ab und legte ihn zu den anderen. Es war der letzte, den er benötigte. Die Gitterstäbe sollten noch heute eingebaut werden. Nicklas hatte das Mauerwerk bereits vorbereitet, stets bewacht von zwei Männern der Leibgarde seiner Herrin. Keinen Fuß durfte er ohne Bewachung ins Innere der Burg setzen. Auch jetzt standen die beiden Wachleute vor der Werkstatt und ließen ihn nicht aus den Augen.
    Nicklas zuckte mit den Schultern. Was auch immer in die Gräfin gefahren war, er würde seine Aufgabe zu ihrer Zufriedenheit erledigen und ihr keinen Anlass geben, ihn zu bestrafen. Er rollte die Stäbe in ein Leintuch und trat vor die Schmiede. Die Wächter nahmen ihn in die Mitte, eskortierten ihn in den Palas und ließen sich in einiger Entfernung von ihm auf dem Boden nieder. Sogleich machte sich Nicklas daran, die Stäbe einzupassen und mit Steinen und Mörtel unverrückbar zu vermauern, wie Leopold von Steyer, das Rattengesicht, es angeordnet hatte.
    »Meinst du, die Gräfin ist noch bei Trost?«
    Nicklas horchte auf. Eine der Wachen hatte gesprochen. Offenbar glaubte der Mann, dass Nicklas ihn nicht hören konnte. Oder die beiden hatten ihn einfach vergessen.
    »Nein. Aber halt besser die Klappe. Wenn sie das hört, landest du schneller im Burgraben, als du deinen Namen aussprechen kannst.«
    »Ja, ja, das weiß ich selbst«, raunte der andere. »Aber mal ehrlich: Was will sie mit dem Balg? Und warum lässt sie extra ein neues Verlies für das Kleine bauen? Oder ist es für jemand anderen?«
    »Halt doch dein loses Maul, du Holzkopf! Und hör endlich auf, Fragen zu stellen. Wer fragt, lebt nicht lange.«
    Aber der andere ließ nicht locker. »Komm schon, du hast das Kind doch mit eigenen Augen gesehen, oder? Du hast Dienst gehabt, als von Säckingen es herbrachte. Das hast du mir selbst erzählt. Red schon, was für ein Balg ist es? Ich übernehme auch deine Nachtwache, dann kannst du zur Trudi. Na, was hältst du davon?«
    Nicklas setzte einen weiteren Stab ein und hoffte, dass der Mann geil genug war, um das Angebot seines Kumpel anzunehmen.
    »Die Trudi ist schon ein saftiges Stück.« Der Wachmann zögerte. »Na gut. Aber erzähl es nicht weiter. Ich dürfte eigentlich nichts davon wissen.« Er senkte die Stimme, wodurch Nicklas nur noch Wortfetzen verstand. »… Rottweil … Tochter … Wendel Füger …«
    Wendel Füger. Den Namen hatte Nicklas auf der Adlerburg schon oft gehört. Das war doch der Weinhändler aus Reutlingen, der bei Ottmar de Bruce in Ungnade gefallen war und der es geschafft hatte, aus dem Esslinger Kerker zu fliehen. Jeder kannte die

Weitere Kostenlose Bücher