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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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nicht die Geduld verlieren, sie war die höchste Tugend eines Ritters.
    Der Drache schnaubte, die Erde bebte. Na warte! So leicht kriegst du mich nicht, du Bestie! Von Säckingen holte aus und hieb sein Schwert in den schuppigen Leib des Ungetüms, das vor Schmerz laut aufheulte. Er sprang zurück, bereit, erneut zuzustoßen. Wieder heulte der Drache, ein Beben ging durch seinen Körper, dann öffnete er das Maul und spie einen tödlichen Feuerstrahl aus.
    Schweißgebadet riss von Säckingen die Augen auf. Einen Augenblick war er verwirrt. Dann atmete er erleichtert durch. Statt des feuerspeienden Ungetüms stand sein Brauner neben ihm; das Pferd scharrte mit den Hufen und zerrte an den Zügeln, die an die Halteseile seines Schlaflakens gebunden waren. Der Morgen dämmerte, es war an der Zeit, weiterzuziehen.
    Von Säckingen wickelte sich aus, packte zusammen und führte sein Pferd zu einem Bach, wo es sofort gierig soff. Das Wasser war klar und kühl. Von Säckingen legte seine Kleider ab und tauchte ein, trank ebenfalls. Der Bach war hier so tief, dass er sogar ein wenig schwimmen konnte. Er machte einige kräftige Züge unter Wasser, schillernde Fische stoben in alle Richtungen davon.
    Als er wieder auftauchte, schüttelte er die blonden Haare. Tropfen flogen in alle Richtungen. Plötzlich hielt er inne. Irgendetwas stimmte nicht. Wo war sein Brauner?
    Mit einem Satz sprang von Säckingen aus dem Bach. Hektisch blickte er sich um, der Wallach war nirgends zu sehen. Verdammt! Er schlüpfte hastig in seine Kleider. Nochmals verdammt! Wie hatte er nur so unvorsichtig sein können! Sein Schwert hing am Sattel, nicht einmal ein Messer hatte er bei sich. Er hob einen schweren Ast vom Boden auf, doch dem Angriff eines bewaffneten Ritters oder Räubers konnte er damit nicht viel entgegensetzen.
    »Heda!«
    Von Säckingen fuhr herum und packte den Knüppel fester. »Ja?«
    Ein schlanker Mann in Mönchskutte, an die sechs Fuß groß, schlenderte auf ihn zu. Er führte den Wallach am Zügel und wirkte wie ein müßiger Spaziergänger. »Das ist Eures, mein Sohn, nehme ich an?«
    Von Säckingen nickte, blieb aber in Verteidigungsposition.
    Der Mann lächelte. »Senkt Euer lächerliches Stück Holz, und nehmt Euer Pferd in Empfang. Das Schwert hängt auch noch am Sattel. Als Ritter solltet Ihr eigentlich wissen, dass man sein Pferd immer festmachen muss. Oder seid Ihr etwa nicht in der Lage, einen anständigen Knoten zu binden?« Er erwartete offenbar keine Antwort, denn er sprach sogleich weiter: »Und lasst Euch gesagt sein: Wenn ich Euch hätte töten wollen, dann stündet Ihr schon längst vor Gott, unserem Herrn.« Er zog ein Messer, drehte sich ein wenig und warf es in einen dreißig Fuß entfernt stehenden Baum, in dem es in Brusthöhe stecken blieb.
    Von Säckingen ließ den Knüppel sinken. »Seid Ihr ein Streiter Gottes oder ein Krieger?«
    »Beides, mein Sohn. Es sind unsichere Zeiten. Mein Name ist Alberto Fussili, ich stamme aus Italien und bin Franziskaner. Ein echter, nicht so einer, der Wasser predigt und Wein trinkt. Ich habe mich der Armut verschrieben und dem Dienst an Gott, unserem Herrn. Wer seid Ihr, wenn ich fragen darf?«
    »Ihr dürft, und ich gebe mich Euch gerne zu erkennen, denn Ihr habt mir einen großen Dienst erwiesen.« Von Säckingen deutete eine Verbeugung an. »Eberhard von Säckingen. Ich bin Ritter in den Diensten Othilias von Hohenfels, Gräfin de Bruce, Herrin der Adlerburg.«
    Fussili reichte von Säckingen die Zügel und ging dann zu dem Baum, in dessen Rinde noch immer sein Messer steckte. »Wie gut, dass ich Eure Seele nicht befreit habe.« Er lachte kehlig. »Eure Herrin hätte sich darüber sicherlich nicht gefreut.« Er zog das Messer aus dem Baum und ließ es unter seiner Kutte verschwinden. »Ihr seid unterwegs zur Adlerburg? Auf dem Rückweg von einem Auftrag, den Ihr für die Gräfin de Bruce ausgeführt habt?«
    Von Säckingen hob die Augenbrauen. »In der Tat. Und was führt Euch in diese Gegend?«
    Fussili zögerte einen Moment. »Dies und das«, erwiderte er ausweichend. »Es ist möglich, dass wir uns recht bald wieder begegnen. Ich habe Emelin, de Bruce’ alter Amme versprochen, sie aufzusuchen. Sie fühlt den Tod nahen und wünscht mich an ihrer Seite.«
    »Ich entnehme Euren Worten, dass Ihr die alte Frau gut kennt.«
    Fussili nickte und blickte abwesend in die Ferne. »Sehr gut und sehr lange.« Sein Blick wurde hart. »Nun denn, ich muss weiterziehen. Gehabt Euch

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