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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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wohnte! Wendel Füger , der Name hatte eine Erinnerung in ihm ausgelöst. Die Fügers hatten zu den Weinhändlern gehört, die wegen der Panscherei des Grafen de Bruce beinahe ihren guten Ruf eingebüßt hätten. Vater und Sohn waren wie viele andere Geschädigte zum Prozess nach Urach angereist. Doch warum hatte der junge Füger den Brief gefälscht und das Siegel des Grafen von Melchingen benutzt? Warum hatte er sich nicht direkt an seinen Landesherrn gewandt?
    Ulrich legte die Hand zurück an den Zügel und zwang sich, ruhig weiterzureiten. Am liebsten würde er die Gelegenheit nutzen und diesen Füger in Rottweil sofort zur Rede stellen. Doch das wäre zu gefährlich. Wenn sich herumsprach, dass er sich den Händler zur Brust genommen hatte, kämen vermutlich auch die unangenehmen Einzelheiten der Unterredung ans Tageslicht. Er musste sich in Geduld fassen, selbst wenn es ihm schwerfiel. Der Bursche würde ihm nicht davonlaufen.
***
    »Habt Ihr das Kleid geliefert, Ritter?« Othilia stand vor dem Fenster, von Säckingen konnte nur ihre Konturen erkennen, ihr Gesicht lag im Schatten.
    Er verneigte sich. »Wie Ihr es befohlen habt, Herrin.« Er wartete einen Moment, aber Othilia schwieg. »Sie hat mich nicht gesehen, alles ist reibungslos verlaufen«, ergänzte er schließlich.
    Othilia trat zur Seite. Licht fiel auf ihr Gesicht und zeigte ihre blassen Wangen und dunkel umränderte Augen. »Wie hat sie reagiert?«
    Von Säckingen zuckte mit den Schultern. »Ich konnte leider nicht bleiben, um sie zu beobachten, doch ich weiß, dass es seine Wirkung nicht verfehlt hat.«
    »Was heißt das? Sie hat geweint? Getobt? Sich die Haare gerauft?«
    Von Säckingen blickte zu Boden. »Bei allem Respekt, Herrin, Ihr kennt diese Frau schlecht. So leicht verliert sie nicht die Beherrschung.«
    Othilias Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich kenne sie schlecht? Ach ja? Aber Ihr kennt sie gut? Ich verstehe: Ihr habt die kleine Hure nicht nur für Euren Herrn verfolgt, Ihr seid scharf auf sie und rennt ihr hinterher wie ein Hengst einer rossigen Stute!«
    Von Säckingen senkte den Kopf noch tiefer. »Mit Verlaub, Herrin –«
    »Ist es so?« Othilias Stimme überschlug sich fast.
    Von Säckingen zwang sich, ruhig stehen zu bleiben. Am liebsten hätte er ihr die Kehle zugedrückt, um ihre klirrende Stimme nie wieder hören zu müssen. »Ihr täuscht Euch.«
    »Ach wirklich?« Sie stemmte die Hände in die Hüften und tippte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden.
    »Mein Ehrenwort.«
    »Unterschätzt mich nicht, von Säckingen!«
    »Ich habe sie im Auftrag Eures Gemahls suchen lassen.« Er blickte auf und sah sie an. »Das ist alles. Und ich habe bis jetzt weitergesucht, da mir seine Befehle auch in seiner Abwesenheit Gesetz sind.«
    Othilia kniff die Augen zusammen. »Ist das alles? Ihr habt lediglich einen Befehl Eures toten Herrn befolgt?«
    »Bis vor zwei Wochen wusste ich nicht, dass er tot ist.«
    »Wie wahr.« Othilia trat auf ihn zu und fasste ihn am Kinn. »Versucht nicht, mich zu hintergehen, von Säckingen! Es würde Euch übel bekommen.« Sie ließ die Hand sinken. »Und jetzt werde ich Euch etwas zeigen, das Euch klarmachen wird, wie wenig Ihr Melissa Füger alias Melisande Wilhelmis kennt.« Sie streifte einen Falknerhandschuh über, trat zu einer Truhe und öffnete sie. Mit spitzen Fingern zog sie etwas daraus hervor. »Ich fürchte, ich werde die Truhe verbrennen lassen müssen«, sagte sie mit einem bedauernden Seufzen. »Sie ist nicht mehr zu gebrauchen.« Sie drehte sich um und hielt von Säckingen den Gegenstand hin, den sie aus der Truhe gefischt hatte. »Ich möchte, dass Ihr das hier ebenfalls nach Rottweil bringt.«
    Von Säckingen kniff die Augen zusammen. Was war das nun wieder? Etwa ein –? Er stutzte. Als er erkannte, was Othilia in der Hand hielt, erstarrte er.
***
    »Seid doch vorsichtig, ihr Hornochsen!« Konrad Sempach schüttelte verzweifelt den Kopf. »Seht ihr denn nicht, dass die Feder gleich bricht? Weg hier! Aus dem Weg!«
    Er scheuchte die Henkersknechte mit einer unwirschen Handbewegung von der Maschine und ließ deren Mechanismus wieder in die Ausgangsstellung zurückgleiten. Alles musste man selbst machen, diese Tölpel waren in der Lage, die Arbeit von Monaten in einem einzigen unbedachten Moment zu zerstören. Er tätschelte das geölte Eichenholz, strich mit dem Finger über die glänzenden Metallbänder und prüfte, ob die Polster der Fesseln dick genug waren, um den Delinquenten

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