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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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mit ihrer dunklen Vergangenheit zu tun, deshalb ist sie derart erschrocken.«
    »Und Wendel? Was hat er dazu gesagt?«
    Antonius hob traurig die Schultern. »Er scheint nichts zu merken. Er ist völlig verhext von dieser Metze.«
    Erhard Füger rieb sich die Bartstoppeln. »Es ist also noch jemand hinter ihr her.«
    »Das vermute ich auch, Herr. Und sie wird es ebenfalls wissen. Bestimmt plant sie schon ihre Flucht. Oder etwas Schlimmeres.« Er holte Luft. »Niemand kann ihr Einhalt gebieten, alle sind ihr hörig. Es ist unheimlich.«
    Erhard Füger ballte die Fäuste. »So weit wird es nicht kommen!« Er runzelte die Stirn. »Du sagst, sie hegt einen Verdacht gegen dich. Wie kommt das?«
    Antonius senkte den Kopf. »Ich habe mich nicht allzu klug angestellt, fürchte ich. Ich war unfreundlich und kalt ihr gegenüber. Das ist ihr natürlich nicht entgangen.«
    Der alte Füger nickte. »Reiß dich zusammen und sei freundlich zu ihr. Wir brauchen noch etwas Zeit. Also zerstreue ihren Verdacht. Freunde dich mit ihr an. Es ist noch zu früh, um zu handeln.« Er trat in den Boden, dass die Erde spritzte. »Der verfluchte Wagen ist noch nicht da.«
    Antonius stöhnte auf. »Aber der Wagner hat doch –«
    »Ja, der verdammte Hundsfott hat versprochen, den Wagen bis heute zu liefern. Aber jetzt braucht er doch noch ein paar Tage, und mehr Geld hat er auch verlangt. So ein doppelter Boden, das ist keine Kleinigkeit, hat er gesagt. Und zudem benötigt er das zusätzliche Geld angeblich, damit er auch tatsächlich vergisst, dass er je einen solchen Wagen gebaut hat.«
    »Dieser Halsabschneider!«, stieß Antonius hervor.
    »Mag sein, aber wir sind auf ihn angewiesen«, sagte Erhard Füger mit ungewohnter Ruhe.
    Meister Oswald, der neben ihm stand, spuckte zustimmend auf den Boden.
    »Das heißt, ich muss es noch eine Weile in diesem Schlangennest aushalten.« Antonius verdrehte die Augen. »Ich werde wahnsinnig dort! Ein Fluch liegt über dem Haus.«
    Erhard Füger nahm ihn am Arm und trat mit ihm zur Seite. »Antonius, ich brauche dich, du bist mein treuester Diener. Du musst stark sein. Hat dich je ein Gegner besiegen können?«
    Bis heute nicht, dachte Antonius, sonst stünde ich nicht hier. Aber diese Melissa ist kein gewöhnlicher Gegner. Sie hat Zauberkräfte, gegen die ein Schwert machtlos ist.
    Sein Herr schien seine Gedanken zu erraten. »Ich weiß, du fürchtest weder Schwert noch Pfeil, Antonius. Deshalb habe ich etwas Besonderes für dich.« Er griff unter seinen Surcot und zog einen Beutel hervor. »In diesem Beutel befindet sich ein Stück Stoff, ein Teil der Leinwand, in die die Heilige Lanze eingewickelt war, als die christlichen Heere den Sieg über die Heiden von Jerusalem errangen.« Er seufzte. »Leider ging die Heilige Lanze verloren, sonst wäre Jerusalem heute bestimmt nicht in der Hand unserer Feinde. Aber diese heilige Reliquie hat mich bisher vor dem Einfluss dieser Hexe bewahrt. Ich trage sie immer bei mir. Nimm sie, sie wird auch dich beschützen. Wenn wir die Hexe erst einmal eingesperrt haben, werde ich den Beutel an das Schloss binden, damit sie keine Macht über uns ausüben kann.«
    »Habt Dank, Herr.« Antonius bekreuzigte sich, nahm den Beutel mit dem unbezahlbaren Inhalt und band ihn fest an den Gürtel unter seinem Umhang. Er verbeugte sich tief. »Mit Gottes Hilfe wird es mir gelingen, Wendel von seinem Fluch zu befreien und die mörderische Hexe ihrer gerechten Strafe zuzuführen.«
***
    Melisande atmete auf. Endlich konnte sie Irma aufsuchen. Eigentlich hatte sie sofort nach dem Essen zu ihr eilen wollen, aber gerade als sie im Begriff war aufzubrechen, hatte Wendel in zwei Briefen Fehler gefunden. Die hatte sie erst verbessern müssen, damit der Bote sie noch mitnehmen konnte. Als Wendel sich auf den Weg zur Zunftversammlung gemacht hatte, war sein Blick abwesend gewesen, und er hatte sie nur flüchtig auf die Stirn geküsst. War er wegen der Sache mit dem Gewand beunruhigt? Hatte er bemerkt, dass sie ihm und den anderen eine fadenscheinige Lügengeschichte aufgetischt hatte? Sie musste am Abend unbedingt mit ihm reden, seine Zweifel zerstreuen.
    Nachdenklich setzte Melisande die Haube auf. Antonius konnte nicht der Einbrecher sein. Inzwischen hatte sie mit Michel, Wolfgang und Bart gesprochen, und alle drei hatten versichert, dass Antonius während des gesamten Gottesdienstes vor ihnen gestanden hatte. Sie hatten ihre Fragen willig beantwortet und sich nicht darüber gewundert. Das war

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