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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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das Haus bewachte. Und bei diesem Jemand konnte es sich nur um den Hausherrn oder um die Hausherrin handeln.
    Von Säckingen überlegte. Entweder war Wendel Füger aufgefallen, dass irgendwer ins Haus eingedrungen war, oder Melisande wollte auf diese Weise in Erfahrung bringen, wer ihr das Kleid gebracht hatte. Doch das war unwahrscheinlich. Ein solches Vorgehen erregte zu viel Aufmerksamkeit. Was würde ihr Gatte denken, wenn er es herausfand? Nein, Melisande gehörte seiner Meinung nach eher zu den Frauen, die versuchten, jedes Problem auf eigene Faust zu lösen. Sie vertraute niemandem, und sie war es gewohnt, allein zu handeln. Wendel Füger also. Wie viel wusste er? Viel konnte es nicht sein, denn Melisande hatte ihn sicherlich nicht eingeweiht. Dieser Karchersohn war wohlbehütet aufgewachsen, er war ein Mann mit festen Prinzipien, von edler Gesinnung und Moral. Und er neigte dazu, nur zu sehen, was er sehen wollte. Dieses Bürschchen hatte nicht ein einziges Mal den Versuch unternommen, mehr über seine Gemahlin zu erfahren, obwohl ihre Vergangenheit völlig im Dunkeln lag. Das hatten Othilias Spione herausgefunden – hervorragende Männer! Seine Herrin hatte ein Händchen dafür, die richtigen Leute auszusuchen, das musste man ihr lassen. Wahrscheinlich hatte der junge Füger das kaputte Dach entdeckt, an einen Einbrecher gedacht und deshalb eine Wache angeheuert. Dass diese Wache sich so dämlich anstellte, dass kein Einbrecher, der etwas auf sich hielt, sich von ihr abhalten lassen würde, lag offenbar außerhalb von Fügers Vorstellungskraft. Umso besser!
    Er grinste und winkte einem Jungen, der gerade vorbeilief. »Hier, Bursche«, er drückte ihm eine Münze in die Hand. »Die ist für dich. Alles, was du dafür tun musst, ist, zum Haus der Fügers zu gehen und Einlass zu begehren. Mach ruhig ordentlich Radau. Wenn dich jemand anspricht, lauf davon. Verstanden?«
    Der Junge nickte.
    »Dann los mit dir.« Von Säckingen lehnte sich zurück. Jetzt würde er sehen, wie die Wache reagierte.
    Der Junge tat, wie ihm geheißen, aber der Mann in der Toreinfahrt regte sich nicht. Mehrmals schlug der Junge an die Tür, bis jemand aus dem Nachbarhaus ihn wegen des Lärms anging und ihm zurief, dass die Fügers nicht da seien, auch niemand vom Gesinde, und dass er sich fortmachen solle. Der Junge beeilte sich, dem nachzukommen, schlug ein paar Haken und tauchte neben von Säckingen wieder auf. Der nickte nachdenklich. Gerade wollte er den Jungen fortscheuchen, als er etwas entdeckte und erschrocken innehielt. Von der Brotlaube her kamen Melisande und Wendel die Straße herauf. Wendel hielt das Balg auf dem Arm, sonst war niemand bei ihnen. An den Jubelrufen, die vom Hochbrücktor herüberhallten, erkannte von Säckingen, dass der Graf gerade angekommen sein musste. Wendel und seine Gemahlin kehrten also vor dem großen Ereignis heim. Nicht schlecht! So konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
    Er beugte sich über den Brunnen und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Wendel dem Wächter ein Zeichen gab, sich zu verziehen. Melisande bemerkte davon offenbar nichts. Sie plapperte auf ihre Tochter ein, erzählte ihr etwas, das die Kleine zum Lachen brachte, und küsste sie dann auf die Stirn. Also war es, wie er vermutet hatte: Der Hausherr war misstrauisch geworden.
    Von Säckingen richtete sich auf, gab dem Jungen eine weitere Münze und einen weiteren Auftrag.
***
    Kaum hatten sie die Menschenmenge hinter sich gelassen, beruhigte sich Gertrud. Wendel drückte sie fest an sich und wiegte sie mit dem Oberkörper sanft hin und her. Melissa erzählte ihr irgendeinen Unfug von einem Grafen, der im hohen Bogen von seinem Pferd fiel und in einem Haufen Dreck landete, und Gertrud gluckste vor Lachen.
    Zufrieden bemerkte Wendel, dass der Knecht auf seinem Wachposten stand. Er nickte ihm unauffällig zu, damit er wusste, dass er nicht mehr gebraucht wurde. Der Mann verschwand augenblicklich. Offensichtlich war er froh darüber, dass er den Grafen nun doch noch sehen und vielleicht einige der Münzen ergattern konnte, die bei einer solch seltenen Gelegenheit unters Volk gestreut wurden.
    Melissa öffnete die Tür. Wendel trat ein, lauschte einen Moment, aber er konnte nichts Verdächtiges hören.
    Melissa füllte zwei Becher mit Wein und ließ sich am Tisch nieder. »Komm Liebster, lass uns die Ruhe genießen, bevor das Haus wieder bis zum Bersten mit Menschen gefüllt ist.«
    Wendel setzte sich zu ihr und umfasste

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