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Die Tränen der Henkerin

Die Tränen der Henkerin

Titel: Die Tränen der Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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Korb Wäsche entgegenkam, nach dem Weg und stand schon bald in der Gaststube. Wie zuvor dem Zugführer stellte sie sich auch dem Wirt als Maria von Felsenbrunn vor, die auf ihren Gatten warten wollte, der mit einem Handelszug aus dem Norden hierher unterwegs sei. Sie sei ihm entgegengereist, um ihn zu empfangen. »Habt Ihr vielleicht eine einfache Kammer, die Ihr mir vermieten könnt?«
    »Eine Kammer?« Der Wirt verdrehte die Augen. »Das hier ist kein Palast, sondern eine gewöhnliche Herberge. Ihr könnt in der Wirtsstube schlafen, wie die anderen Gäste auch.«
    Melisande sah ihn mit großen Augen an. »Zwischen all den ungehobelten Kerlen? Wie könnte ich das, so ganz ohne Begleitung? Bitte, denkt noch einmal nach, ob Ihr nicht doch ein anderes Plätzchen für mich habt. Ich zahle auch gut dafür.« Sie zog ihren Beutel hervor.
    Der Wirt kratzte sich am Kopf. »Meinetwegen könnt Ihr die Kammer der Köchin haben, sie soll solange zu den Mägden auf den Dachboden ziehen.« Er rief die Köchin herbei, die das Gesicht verzog, als der Wirt ihr sagte, worum es ging, und murrend ihre wenigen Habseligkeiten aus der Kammer holte.
    Melisande drückte ihr zwei Heller in die schwielige Hand, damit sie ihr nicht allzu sehr zürnte. Als sie endlich allein in der engen, nach fauligem Stroh stinkenden Kammer war, stellte sie sich ans Fenster und blickte hinaus. Auf der Gasse unter ihr herrschte buntes Durcheinander. Der Zug war inzwischen vorgefahren, Pferde mussten ausgespannt und versorgt werden, Reisende verköstigt. Die Kaufleute würden gemeinsam in der großen Schankstube schlafen und am nächsten Morgen in aller Frühe weiterziehen. Melisande legte ihre Wange an das raue Holz des Fensterrahmens. Das Heimweh brannte ihr in der Brust. Erst wollte sie die Tränen hinunterschlucken, doch dann ließ sie sie laufen. Ihre Trauer war alles, was ihr geblieben war.
***
    Gerade verklang der letzte Schlag der Glocke, die zur Vesper rief, als es klopfte.
    »Herein!« Wendel sprang auf. Endlich! Den ganzen Nachmittag lang hatte er mit seiner Mutter am Tisch gesessen und darauf gewartet, dass Antonius zurückkehrte. Nur kurz war er aufgestanden, um nachzusehen, ob die Arbeit im Weinkeller reibungslos verlief.
    »Herr!« Langsam schwang die Tür auf, Antonius kam herein, trat zu Seite, verbeugte sich leicht. Hinter ihm tauchte Erhard Füger auf. Wendel versteifte sich. Sein Vater hatte sich verändert in den zwei Jahren, in denen er ihn nicht gesehen hatte. Er war merklich älter geworden, sehniger und abgehärmter. Und er war nicht allein gekommen; Meister Oswald, der Waffenmeister, bei dem Wendel den Schwertkampf gelernt hatte, stand hinter ihm. Er blieb vor der Schwelle stehen und nickte wortlos zu Wendel hinüber.
    »Meister Oswald hält draußen Wache«, sagte Erhard und schloss die Tür.
    Schweigend musterte Wendel seinen Vater. Er hatte gehofft, sich zu freuen, wenn dieser ihn endlich in seinem Haus aufsuchte, aber er spürte nichts als Zorn.
    Erhard blieb unschlüssig stehen. »Willst du deinen Vater nicht willkommen heißen?«
    Wendel rührte sich nicht. »Bevor ich dich willkommen heiße, hast du mir einiges zu erklären. Ich erwarte, dass du mir nichts verschweigst.«
    Erhard öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er strich mit den Handflächen über den Stoff seines Surcots, als wollte er sie trocken reiben. Schwitzte er, oder wusste er nicht, wohin mit ihnen, während er sich eine überzeugende Geschichte zurechtlegte?
    »Also gut, dann lassen wir das Vorgeplänkel.« Erhard Füger holte tief Luft. »Es ist furchtbar, aber es ist wahr: Melissa ist eine Mörderin.« Er wartete kurz, doch niemand sprach, also fuhr er fort: »Oder zumindest hat sie mit einem Mörder gemeinsame Sache gemacht. Sie und ihr Zwillingsbruder haben Merten de Willms umgebracht und sich seiner Habe bemächtigt. Dann hat der Bursche sich als Merten de Willms ausgegeben, um sich bei uns einzuschleichen. Vermutlich sollte er den Weg für seine Schwester ebnen. Das ist ihm auch vorzüglich gelungen. Die beiden werden dich töten, Wendel, um an dein Erbe zu kommen.«
    Bevor Wendel etwas sagen konnte, zischte seine Mutter ihren Mann an. »Und wo sind die Beweise für diese grässlichen Anschuldigungen?«
    »Ich war in Augsburg. Die de Willms sind allesamt groß und dunkelhaarig. Und sie haben –«, er zögerte, »sie hatten ausschließlich Söhne. Es gibt keine Melissa de Willms.« Er rieb sich die Handgelenke. »Merten de Willms wurde bei einem

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