Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
können ja heute auf keinen Fall mehr zurück nach Timaru. Dicky, dich behalten wir auch hier heute Nacht. Wenn’s sein muss, reitet Joe noch eben rüber und füttert deine Tiere.«
Atamarie schluckte. Mrs. Pearse mochte sie verkuppeln wollen, aber sicher ganz und gar nach Art der pakeha . Wenn das so weiterging, würde es auch diesmal nichts werden mit der Liebe – und der Erforschung des Motors auf Richards Farm … Atamarie war sich nicht sicher, was von beidem sie mehr reizte. Aber jetzt lächelte sie erst mal brav Mrs. Pearse an, bedankte sich für die Einladung und half dann beim Tischdecken und Auftragen der Speisen. Wie erwartet war Sarah Pearse eine hervorragende Köchin, die stets Nahrungsmittel für ein ganzes Regiment auffuhr und insofern auch von Überraschungsgästen nicht aus der Fassung zu bringen war. Atamarie bemerkte jetzt erst, wie hungrig sie war. Wohlgefällig beobachtete Mrs. Pearse, wie sie ihren Teller mit Kartoffelbrei, Bohnen und Braten füllte und vollständig leer aß.
Richard nahm sich dagegen nur wenig und ergriff während des ganzen Essens kaum das Wort. Der erfolglose Flugversuch schien ihn entmutigt zu haben – oder auch das lebhafte Tischgespräch, das sich zunächst wieder mal um die »Rosinenin seinem Kopf« drehte und dann zu anderen unangenehmen Themen wie Ernte und Neueinsaat wechselte. Mr. Pearse examinierte seinen Sohn dabei ähnlich wie vorher Peterson, gab sich mit dessen Schweigen zu seinen Fragen nach Erntehelfern und Maschinenwartung aber nicht zufrieden. Wortreich kommentierte er Richards Versäumnisse, während seine Frau versuchte, Atamarie Näheres über ihre Familie zu entlocken. Was sie hörte, schien ihr durchaus zu gefallen, wobei die Farm ihres Großvaters sie deutlich mehr interessierte als Matarikis Stellung als Schulleiterin und Kupes Position als Parlamentsabgeordneter.
»Das ist ja schön, dass Sie praktisch auch auf einer Farm aufgewachsen sind!«, freute sich Sarah Pearse. »Aber Sie erben das Land nicht, oder?«
Atamarie schnappte nach Luft. Das fand sie nun doch eine etwas zu indiskrete Frage für die erste Begegnung. Sie war fast versucht zu behaupten, man würde die Farm zur Finanzierung ihres Ingenieurstudiums verkaufen müssen, aber dann biss sie sich auf die Zunge. Es brachte nichts, frech zu werden, ihr war ja an einem guten Verhältnis zu den Pearses gelegen. Also erzählte Atamarie gelassen von ihren beiden Onkeln.
»Mein Onkel Kevin hat kein Interesse an Schafen«, betonte sie mit einem Seitenblick auf Richard. »Aber Patrick hat Landwirtschaft studiert und wird die Farm einmal übernehmen. Kevin ist Arzt …«
Mit der letzten Bemerkung brachte sie das Gespräch unversehens auf Richards wunderbaren Bruder Tom, von dem Sarah und Digory daraufhin gleichermaßen schwärmten. Richard verschaffte das eine Atempause. Digory hörte vorübergehend auf, ihm seine Versäumnisse vorzuwerfen. Wobei Atamarie nicht ganz verstand, wo hier eigentlich die Probleme lagen. Digory Pearse sprach von Erntehelfern und Maschinenwartung – also gar nicht mal von so viel Eigenleistung. Sieselbst hätte sich durchaus zugetraut, all die organisatorischen Aufgaben nebenbei zu erledigen, an denen Richard offenbar scheiterte. Aber ihrem Freund schien ja weder die Farmarbeit noch die Kontaktpflege zu seinen Nachbarn zu liegen. Atamarie entnahm dem Gespräch mit seinem Vater, dass ihm Peterson wohl noch von allen am besten gesinnt war. Die anderen beklagten sich über den Lärm, den seine Maschinen machten, das Unkraut auf seinen Feldern, dessen Samen der Wind auf die ihren herüberwehte, und die ausgebrochenen Tiere.
»Fred Hansley meinte neulich, der Burenkrieg sei zu uns rübergekommen!«, erregte sich Digory Pearse inzwischen erneut – das Gespräch hatte von Toms überragenden Leistungen unmittelbar zu Richards Versagen gewechselt. »Und er will dir seinen Heuwender nicht wieder leihen. Die ›Verbesserungen‹, die du letztes Jahr daran vorgenommen hast …«
»Er wollte sie sich ja nicht erklären lassen«, verteidigte sich Richard verzweifelt. »Es war ganz einfach und viel effektiver, das ganze Ding lief runder, man musste nur …«
»Du wirst sehen müssen, wo du einen anderen Heuwender auftreibst, oder du musst das Heu mit der Hand wenden«, unterbrach ihn sein Vater.
Richard schob sein Essen von einer Seite des Tellers zur anderen. Schließlich atmeten alle auf, als Sarah Pearse die Tafel aufhob. Sie zumindest schien recht zufrieden. Atamarie
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