Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Pfleger. Wir müssen wissen, wie viel er ihr gegeben hat!«
»Sie meinen wirklich, sie kann tot umfallen?«
Bulldog warf einen verzweifelten Blick auf die Bahn. Die Pferde trabten gerade an. Es würde nicht einfach sein, das jetzt noch aufzuhalten.
»Hauen Sie ab, Bulldog!« Vincent wies entschieden Richtung Bahn. »Bevor ich nicht weiß, wie viel sie bekommen hat,kann ich da gar nichts sagen. Aber es besteht höchste Gefahr. Also machen Sie schon!«
Bulldog rannte zur Rennleitung, schien sich dann aber zu besinnen und nahm einen anderen Weg. Vincent jagte, gefolgt von Roberta, zu den Ställen.
Finney, der Stallbursche, machte sich bei Barringtons Galoppern zu schaffen. Von ihnen brauchte an diesem Sonntag keiner auf die Bahn, der Renntag war allein den Trabern gewidmet. Umso seltsamer, dass der Kerl sich hier herumtrieb.
Roberta erschrak, als Vincent ihn an der Jacke fasste, herumriss und einen Boxhieb in seinem Gesicht platzierte.
»Ich entschuldige mich hiermit, falls ich den Falschen habe«, sagte er kurz. »Aber wenn ich den Richtigen habe, dann nehmen Sie das bitte statt längerer Vorrede. Was haben Sie der Stute gegeben und wie viel?«
Der Mann rappelte sich auf. »Welcher Stute? Und wie …«
Vincent versetzte ihm einen zweiten Schlag. »Vielleicht verraten Sie uns auch, wer Sie beauftragt hat. Aber zuerst: was und wie viel?«
Vincent hielt ihn fest, um sofort wieder zuschlagen zu können, wenn er nicht redete. Roberta sah ihn fassungslos an. Hatte sie bis zum Vortag noch gedacht, Vincent wäre eher weich?
»Ich … ich weiß nicht … fünf Tropfen … Weiß nicht, was drin ist. Stärkungsmittel …« Der Stallknecht presste die Worte zwischen seinen blutenden Lippen hervor.
»Stärkungsmittel. Klar. Wo sind die Tropfen? Und wagen Sie es nicht, abzuhauen!« Vincent ließ den Mann los, der daraufhin gegen eine Putzkiste taumelte.
»Keine Tricks!« Vincent folgte ihm und schob sich schützend vor Roberta. »Wenn Sie mir mit einer Waffe kommen …«
Der Mann hob verängstigt die Arme. »Hey … Frieden! Hab doch keine Waffe. Nur die paar Tropfen da.« Er wies auf ein Regal.
»Hol sie her, Roberta.« Vincent fixierte sein Opfer gnadenlos. »Steht irgendwas drauf?«
»Atropin«, las Roberta und studierte die Angaben zur Lösung.
Vincent nickte. »Haben Sie ihr immer fünf Tropfen gegeben?«, fragte er.
Der Mann schüttelte den Kopf. »Sonst drei. Aber diesmal, Mr. Fence meinte …«
Vincent versetzte ihm einen abschließenden Kinnhaken. »Verschwinden Sie! Eigentlich sollte man Sie einsperren, aber ich hab jetzt Wichtigeres zu tun, als jemanden zu suchen, der auf Sie aufpasst. Also ab dafür! Aber wehe, Sie haben gelogen …«
Vincent eilte aus dem Stall, Roberta rannte keuchend hinterher. »Stirbt sie daran?«, fragte sie.
Vincent schüttelte den Kopf. »Eher nicht. Aber sie sollte ruhiggestellt werden. Die Kreislaufbelastung durch das Rennen … eine Gefahr besteht da schon. Verdammt, wir hätten eher drauf kommen können. Dieser Fence ist ein Spieler. Der wollte sie nicht umbringen, nur schlecht abschneiden lassen. Und das Mittel ist perfekt gewählt. In kleinen Mengen macht es euphorisch, das erklärt die Heftigkeit. Und es beeinträchtigt die Sehkraft – das Scheuen in Auckland … O Gott, was ist das?«
Während der Rennen herrschte auf den Tribünen immer ein ohrenbetäubender Lärm, Vincent und Roberta hatten gar nicht darauf geachtet. Aber jetzt – es klang wie ein kollektiver Aufschrei oder doch ein Ausdruck von Verwunderung.
»Da ist was passiert!«
Roberta rannte hinter Vincent her, so schnell ihr Korsett es erlaubte. Im Stillen schwor sie sich, nie wieder eines zu tragen.
Das Bild eines schweren Unfalls bot sich zumindest nicht, als die beiden die Bahn endlich erreichten. Das Feld raste ebenheran, die Pferde kamen um die Kurve auf die Zielgerade zu, die erste Runde war gelaufen.
»Also, gestürzt scheint keiner zu sein«, keuchte Vincent. Er blickte zu den Pferden hinüber, aber Roberta sah in die andere Richtung.
»Vincent, da!«
Bulldog kletterte eben über die Absperrung vor den Tribünen und machte Anstalten, sich den Pferden in den Weg zu werfen.
»Er versucht, das Feld aufzuhalten. Die Rennleitung hat wahrscheinlich nicht reagiert!«
Vincent rannte in Bulldogs Richtung. »Tibbs! Tibbs, sind Sie verrückt? Die halten doch niemals an!«
Vincent brüllte die Warnung heraus, aber natürlich kam sie zu spät. Weder konnte Bulldog ihn hören noch konnte
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