Die Tränen der Maori-Göttin - Lark, S: Tränen der Maori-Göttin
Stiefel. Stattdessen eine jetzt blutverschmierte Lederjacke, Kordsamthosen und dicke, weiche Lederschuhe. Er hatte blondes Haar, sein Gesicht war breitflächig, sein Körper gedrungen und kräftig.
»Wir hätten zwar sowieso nicht viel für ihn tun können, aber so geht es natürlich nicht!«, schimpfte Willcox auf die Pfleger. »Auch wenn ein Feind verletzt ist, behandeln wir ihn, das ist unsere humanitäre Pflicht gegenüber Kriegsgefangenen. Jetzt bringt den Mann raus und schaut, ob er irgendwelche Papiere bei sich hat – vielleicht findet ihr ja heraus, wie er hieß. Dann wird das gefälligst protokolliert, damit nach dem Krieg die Familie verständigt werden kann. Wir kämpfen hart, Jungs, aber wir sind keine Tiere! Wenn die anderen gegen alle Regeln verstoßen, ist das schlimm genug!«
Willcox begrüßte Kevin, und die Ärzte hatten gerade noch Zeit, sich die frisch Operierten von der vergangenen Nacht anzusehen, bevor die ersten neuen Verwundeten hereinkamen. Einer der Schwerverletzten war gestorben, aber immerhin hatten Barrister und Kevin noch zwei gerettet. Willcox setzte sie gleich in Marsch zum Feldlazarett auf der Farm der VanStouts.
»Der Fahrer soll langsam fahren, damit sie nicht zu sehr durchgeschüttelt werden«, wies er die Pfleger an. »Jetzt geht das ja noch. Wenn gleich wieder Dutzende transportiert werden müssen …«
Der Gefechtslärm aus Richtung Wepener ließ nichts Gutes ahnen. Kevin und Willcox standen schon am Operationstisch, bevor die Küche noch ein Frühstück bringen ließ, sie schlangen Brot und Kaffee zwischen zwei Patienten herunter. Wobei die viel schneller aufeinander folgten als im Feldlazarett auf der Farm. Die Ärzte an der Front übernahmen nur die Erstversorgung – und die Selektion. Kevin war entsetzt, als Willcox gleich die ersten beiden Fälle als hoffnungslos einordnete und zum Sterben auf Strohsäcke im Feldlazarett betten ließ.
»Aber man könnte es doch immerhin versuchen«, meinte er. »Das ist ein Lungenstreifschuss, wenn ich es richtig einordne, der hat doch eine Chance …«
Willcox sah ihn mitleidig an. »Der hätte eine Chance, wenn wir mehr Zeit und Ärzte hätten. Aber so nimmt er anderen den Platz weg. Tut mir leid, Drury. Wenn er bis heute Abend durchhält, versuche ich es in der Nacht …«
Kevin sah nun auch, wo die Militärgeistlichen waren, die er auf der Farm vermisst hatte. Sie wurden hier gebraucht, sie trösteten die Verwundeten, die zur Farm geschickt wurden, und erteilten den anderen die Sterbesakramente. Kevin fragte sich bald, wie sie dabei ihr eigenes Wort verstanden. Der Lärm im Lazarettzelt war infernalisch – die Verwundeten stöhnten und schrien, Kevin und Willcox kamen nicht nach mit der Behandlung mit Opiaten. Dazu kam der nicht abreißende Gefechtslärm, Kevin war schon nach wenigen Stunden völlig zermürbt. Seine Uniform klebte ihm am Körper, durchtränkt von Schweiß und Blut.
»Kommen wir wenigstens weiter?«, fragte er einen Leichtverletzten, dem er nur den Weg zu den Wagen zum Lazarett wies.
Der zuckte die Achseln. »Ich denk schon. Der Haubitzenbeschuss zeigt Wirkung, und so langsam geht denen im Fort auch die Munition aus. Die Kommandos von außen scheinen wir im Griff zu haben, die sehen wohl ein, dass sie keine ganze Armee besiegen können. Aber ob wir heute schon in die Stadt kommen …« Der Mann schien sehr froh, dem Gefecht entkommen zu können.
Kevin war fast überrascht, als auch dieser Tag zu Ende ging. Mit der Dämmerung verebbten die Schüsse, und in den letzten Stunden waren weniger Verletzte hereingekommen. Willcox und er hatten begonnen, schwere Fälle gleich zu operieren, Kevins Bilanz an Toten würde nicht so groß sein wie am Tag zuvor die von Tracy. Dennoch konnte er sich jetzt gut in seinen Kollegen einfühlen. Er hatte an diesem Tag zu viel Blut gesehen und zu vielen Menschen nicht helfen können.
Tracy erschien dann bald zur Ablösung. Auch im Feldlazarett war es ruhiger geworden, er hatte sich umziehen können und wirkte schon wieder wie aus dem Ei gepellt. Außerdem optimistischer. Es hatte ihm gutgetan, erfolgreich operieren zu können.
»Und morgen wird es wohl auch vorbei sein«, berichtete Willcox, der mit ein paar höheren Offizieren der Heeresleitung gesprochen hatte. »Die Verteidigung hält sich noch, sie kämpfen bis zur letzten Patrone, wenn nicht bis zum letzten Blutstropfen. Aber im Grunde sind sie besiegt, spätestens nachmittags marschieren wir in Wepener
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