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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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mehr gehasst hatte als alles andere, und wie sie danach stets heftig dagegen angekämpft hatte und wie ihre Liebe zu Jai gestorben war, nachdem ihr Onkel sich im Bett auf sie geworfen hatte. Und wie Jais Vater, der stille, wunderbare Doktor, sie im Besenschrank des Krankenhauses gefunden hatte, wie er darauf geachtet hatte, ihr nicht noch mehr Angst zu machen, und wie er die zerbrochenen Stücke ihres Herzens zusammengesetzt und sich um sie gekümmert und ihr geholfen hatte, über den Hass und die Angst hinwegzukommen. Wie er mit großer Geduld geholfen hatte, sie wieder stark zu machen, und ihr Selbstvertrauen und eine Arbeit gegeben hatte, wie er sie weggeschickt hatte, damit sie ausgebildet wurde, und dass sie ihm nie wirklich gesagt hatte, wie sehr sie ihn für alle diese Freundlichkeit und Geduld liebte, und dann war er plötzlich gestorben. Und dann war Jack in ihr Leben gestolpert, und alles hatte angefangen, einfacher zu werden. Er … was war es? Er hatte sie befreit. Er hatte sie von der ununterbrochenen Wachsamkeit befreit, die sie glaubte aufrechterhalten zu müssen, um in einer von Männern dominierten Welt ihre Selbstachtung zu wahren. Und als Jack sie, ohne es zu wissen, aus diesem Käfig befreite, diesem Käfig, den Malaika selbst hergestellt hatte, hatte sie sich … mächtig gefühlt. Sie berichtete, wie geduldig er von Anfang an trotz ihrer schlechten Manieren gewesen war. Dass er sie nie wie Besitz behandelte oder versuchte, sie zu etwas anderem zu machen. Und vor allem, dass er ihr ihre Fähigkeit zurückgab, sich zu entspannen. Endlich konnte sie ihre Jugend genießen und Spaß haben, wie es Vierundzwanzigjährige tun sollten. Und wegen all dieser Dinge wollte sie unbedingt mit ihm zusammen sein. Sie genoss es, wenn er in ihrer Nähe war. Vielleicht liebte sie ihn wirklich. Nicht, wie sie Jai geliebt hatte, nicht wie ein Kind, aber vielleicht war es wirkliche Liebe. Und dass sie die letzte Zeit oft daran gedacht hatte. Wenn sie nur sicher sein könnte …
    Die Alte hatte genickt, und ihre Augen hatten verständnisvoll geblitzt, während Malaika ihre Geschichte erzählte, als hätte sie das alles schon gewusst.
    »Dieser …
Mzungu«,
sagte Kokoo, »dieser Jack …«
    »Ja?«, sagte Malaika und versuchte, sich zu erinnern, ob sie Jacks Hautfarbe irgendwann erwähnt hatte. Nein, sie war sicher, dass sie sich diese Information für später aufgehoben hatte.
    Kokoo griff wieder nach den Blättern und drückte sie an Malaikas Stirn. »Dieser Jack … du bist dir seiner nicht sicher. Aber wenn du ihn brauchst, wirst du erfahren, was der
Mzungu
in seinem Herzen spürt. Dann wirst du wissen, was du tun musst.«
    »Kokoo, was weißt du? Was muss ich tun?«
    Die Kohleaugen glitzerten. Die alte Frau legte die Leleshwa-Blätter wieder in die Tonschale und griff nach Malaikas Hand. »Kind, deine Mutter Penina, meine liebe Enkelin, wollte das Leben aller Massaifrauen verändern, weil alles in ihrem Leben so schlecht war. Sie wusste, dass sie damit keinen Erfolg haben konnte. Stattdessen hat sie versucht, dich anders zu machen als alle anderen Massaimädchen. Sie wollte, dass du selbst denkst. Auf die moderne Art. Sie hat dich immer wieder in die Schule geschmuggelt, obwohl ihr Mann sie geschlagen hat, wenn er es herausfand.« Sie blinzelte die Zornestränen weg.
»Ngai
sei Dank, er war nur selten im
Enkang.«
    Malaika spürte, wie ihre
Kokoo
sie fester packte.
    »Deine Mutter hat dir einen modernen Namen gegeben. Alle hielten es für eine Schande. Ai, ai, ai! Du hättest die Leute sehen sollen. Deine Mutter musste lachen. Keine Massai hat ihrem Kind je einen Swahilinamen gegeben. Und ein Name wie deiner, das war sogar noch skandalöser. Aber sie wollte, dass du hoch und frei fliegst, und deshalb hat sie dich Malaika, Engel, genannt.«
    Sie hielt inne und betrachtete Malaikas glatte braune Hände, die in ihren eigenen faltigen Händen lagen. Als sie Malaika wieder ins Gesicht schaute, verschwand ihr Lächeln, und sie legte den Kopf schief. »Kind, du bist eine Massaifrau. Wir tragen die Last des Überlebens des Stammes, wie wir die tägliche Last des Feuerholzes für den
Enkang
tragen – weil es immer so war. Aber du, Kind, hast ein Schicksal zu erfüllen, das darüber hinausgeht. Deshalb hat
Ngai
dich zu mir zurückgeschickt.«
    »Ich verstehe das nicht.« Kokoos Worte drehten sich in ihrem Kopf. »Was hat das mit Jack zu tun?«
    »Wenn du ihn brauchst, wirst du es wissen.«
    »Kokoo, wenn du etwas

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