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Die Tränen der Massai

Die Tränen der Massai

Titel: Die Tränen der Massai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Coates
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um feuchte Dollarscheine zu wechseln, die Jack wunderbarerweise aus einem Fach in seinem Gürtel geholt hatte. Dann waren sie beide neu eingekleidet in das einzige größere Hotel in der Stadt eingezogen – das New Mwanza. Jack hatte laut darüber nachgedacht, wie angemessen das Adjektiv war, aber Malaika hatte ihn rasch aufgefordert, den Mund zu halten. Sie standen ohnehin bereits im Mittelpunkt unzähliger Spekulationen der glotzenden Hotelangestellten.
    »
Pansiansi! Pansiansi!«,
rief der
Konda
abermals. Malaika konnte sich gut an die Umgebung erinnern. Es hatte sich nicht viel verändert. Vielleicht gab es hier und da einen Baum weniger, und ein paar baufällige
Dukas
mehr verkauften ihre Waren am Straßenrand. Die Bushaltestelle war immer noch da, und fünfzig Schritte weiter stand das Haus ihrer Mutter. Es brauchte frische Farbe, aber ansonsten war es das gleiche Betonblockhaus wie in ihrer Kindheit. Hamis hatte das Tor und den Lattenzaun, den er versprochen hatte, immer noch nicht angebracht.
    Eine ältere Frau stand im Garten vor dem Haus, eine Hand auf der Hüfte, die Hacke in der anderen. Sie starrte die Reihen von Bohnen,
Sikuma Weeki
und Mais an. Baumwollstreifen, die aus einem alten Kleid oder Hemd gerissen worden waren, flatterten an Schnüren über den Gemüsereihen.
    Malaika zeigte Jack eine Stelle, wo er parken konnte. Das Schließen der Autotür ging in der Kakophonie des Verkehrslärms unter. Die Frau im Garten blickte nicht auf, als Malaika ausstieg, sondern stützte beide Hände auf die Hüften und streckte den Rücken. Diese Bewegung war Malaika vertraut.
    Aber sie brauchte Zeit, um sich daran zu gewöhnen, ihre Mutter als Frau in mittleren Jahren zu sehen. Peninas Schultern waren nicht mehr so gerade, und ihr Rücken war leicht nach innen gebogen, bevor der wohlgerundete Po begann. Sie war nicht fett, aber ihre Taille war dicker, als Malaika sie in Erinnerung hatte. Ihr Haar, immer noch schwarz, hatte nichts mehr von dem Glanz von vor zehn Jahren und war mit einem roten Tuch zurückgebunden. Es gab allerdings noch ein paar Spuren von Penina als jüngerer Frau: Ihre aufrechte Haltung, die immer noch eine beinahe trotzige Ausstrahlung hatte. Die elegante Nase. Traurige, sanfte Augen.
    Die Frau drehte sich um und ging aufs Haus zu. Sie schlurfte beinahe den Weg entlang. Das Selbstvertrauen früherer Jahre war verschwunden. Sie wirkte … vernichtet.
    Ein wenig ängstlich ging Malaika auf sie zu. Sie wusste nicht, was sie befürchtete. Tränen traten ihr in die Augen, als sie über das Wort stolperte. »Ma …«
    Die Frau schien sie nicht zu hören und ging müde weiter aufs Haus zu. Auf der Verandatreppe warf sie einen Blick zurück zur Straße. Sie war tief in ihre Gedanken versunken gewesen und wirkte überrascht, dass jemand in ihrem Garten stand.
    »Mama«, wiederholte Malaika. Penina hob die Hände an die Wangen, dann hob sie sie vor den Mund, um einen Schrei zu unterdrücken. Sie machte einen raschen Schritt auf Malaika zu und blieb abrupt wieder stehen. Sie starrte sie ungläubig an. Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie versuchte nicht, sie zurückzuhalten.
    Malaika streckte die Hand aus. »Mama?«
    Ihre Mutter rannte zu ihr. »Malaika! O Malaika!« Sie umarmte ihre Tochter. »Gott sei gelobt! Oh, Gott sei gelobt! Du bist hier!«
    Malaika erwiderte die Umarmung und vergaß ihre Angst und ihre vorbereitete Ansprache. Sie vergaß die Entschuldigungen dafür, eine so störrische, dumme Tochter gewesen zu sein. Wie lange war es her, seit sie sich zum letzten Mal gewünscht hatte, von ihrer Mutter umarmt zu werden?
    Sie hielten einander fest umarmt, dann lösten sie sich, schauten einander an und umarmten sich erneut.
    Malaika hatte das Gefühl, dass ihre Mutter geschrumpft war. Sie reichte ihr nur bis zur Schulter. Ihre Arme waren dünner und die Ellbogen spitz. Ihre Wangenknochen waren ausgeprägter als früher, und sie hatte Ringe unter den Augen. »Ma.« Mehr konnte Malaika nicht herausbringen. Es war so lange her. Malaika war noch eine Heranwachsende gewesen, als sie ihr Zuhause verlassen hatte, und seitdem war all die Jahre diese Leere in ihr gewesen.
    Durch ihre Tränen sah Malaika Jack auf der anderen Seite der Reihen von Bohnen und Mais. Er nickte und wirkte erfreut. Malaika entzog sich langsam der Umarmung ihrer Mutter. »Mama«, sagte sie, dann schniefte sie und rieb sich die Augen trocken. »Mama … das hier ist Jack.«
    Als ihre Tochter plötzlich englisch sprach, schaute

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